Bielefelder Lehrer*innenbildung
Fach: Philosophie
Betreuende*r Dozent*in: Dr. Kinga Golus
Studiengang: GymGe
Studienprojektvariante: Forschung über die eigene unterrichtspraktische Tätigkeit
Methodische Umstzung: Qualitativ
Forschungsfrage
1) Inwiefern werden
- zentrale Aussagen fokussiert?
- tiefere Auseinandersetzungen mit dem Ausgangstext angeregt?
- philosophische Texte als Antwort auf Fragen erkannt?
- Deutungen hinterfragen und kritisieren, die durch das Erstellen eines fiktiven Interviews vorgenommen wurden?
2) Werden Vorteile und Nachteile der Methode sichtbar?
Innerhalb dieses Studienprojekts soll die Texterschließungsmethode "fiktives Interview" evaluiert werden. Die Idee dieser Methode ist es, dass ein Autoreninterview aus einem philosophischen Text transformiert wird und dann als „Opener“ für einen Ausschnitt des Originaltexts genutzt wird. Im Unterricht wird vor dem zu lesenden Text das Interview bearbeitet, um dann zum einen den Primärtext erschließen zu können und zum anderen eine tiefere Auseinandersetzung mit diesem zu erreichen (vgl. Wittschier 2010, S. 63ff.). Durch diese Arbeit wird ein Überblick über die tatsächliche Durchführung der Methode geben. Der Schwerpunkt dieses Projekts ist dabei die Evaluation. Es gilt herauszufinden, ob das fiktive Interview zur Erschließung des Textes führt. Die anfänglich gestellte Frage kann weitgehend bejaht werden. Es konnte jedoch auch festgestellt werden, dass Schüler_innen die vorweggenommene Deutung des philosophischen Textes durch die Erstellung des fiktiven Interviews nicht erkennen.
Didaktische Begründung der Texterschließungsmethode: Wittschier, Michael (2010): Textschlüssel Philosophie: 30 Erschließungsmethoden mit Beispielen. München: Bayerischer Schulbuch Verlag.
Forschendes Lernen: Euler, Dieter (2005): „Forschendes Lernen“ In: Spoun, S. & Wunderlich, W. (Hrsg.) Studienziel Persönlichkeit. Frankfurt: Campus, 253-272.
Forschungsmethode: qualitativ
Um die Leitfragen umfassend beantworten zu können, wurden qualitative Interviews mit Schüler_innen durchgeführt und qualitative Beobachtungen zum Unterrichtsgeschehen von mir als Lehrkraft gesichert, um beide Perspektiven für eine umfangreiche Antwort einbeziehen zu können. Die Interviews wurden nach der Durchführung der Texterschließungsmethode noch in derselben Woche durchgeführt, damit eine zeitliche Nähe für eine konkrete Darstellung gewährleistet ist. Diese erhobenen Daten wurden im Anschluss ausgewertet, indem die Daten erst nach den Forschungsfragen selektiert und dann untersucht wurden.
Die Frage, ob die Texterschließungsmethode „fiktives Interview“ die nach Wittschier (2010) angestrebten didaktischen Funktionen erfüllt, kann weitgehend bejaht werden. Besonders den befragten Schülerinnen erschien die Methode als Entlastung für das Textverständnis. Dies spricht dafür, dass das „fiktive Interview“ eine hilfreiche Texterschließungsmethode ist. Außerdem benannten die befragten Schülerinnen zum großen Teil die Funktionen, die Wittschier als Begründung des Einsatzes des fiktiven Interviews aufzeigt: Fokus auf zentrale Textaussagen, stärkere Auseinandersetzung mit dem Ausgangstext und philosophischen Text als Antwort auf eine Frage erkennen.
Dass durch das fiktive Interview der Text bereits durch die Lehrkraft gedeutet wird, sollte im Unterricht thematisiert werden, denn dies ist den Schüler*innen nach dieser Erhebung nicht deutlich geworden. In Bezug auf die Planung soll hier betont werden, dass es wichtig ist, im Unterricht herauszustellen, inwiefern das Interview zu dem darauf folgenden Textausschnitt gehört. Außerdem sollte ein "von Thema zu Thema springen" vermieden werden, welches auch von einer der interviewten Schülerinnen als Schwierigkeit genannt wurde.
Für mich war der Aufbau der Arbeit zunächst schwierig, ich habe vor den Studienprojekten noch keine empirische Arbeit verfasst. In Gesprächen mit Mitstudierenden konnte mir diese Hürde jedoch genommen werden. Außerdem war für mich die Begrenzung auf 15 Seiten eine Schwierigkeit. Durch die verschiedenen Schritte, die zu Forschungsarbeiten gehören und durch meine ausführlichen Auswertungen von den Interviews sowie von meinen persönlichen Beobachtungen als Lehrkraft waren 15 Seiten zu wenig. Das Kürzen der Arbeit war daher sehr schwierig für mich. Daher würde ich bei einer Wiederholung nur eine Erhebungsmethode wählen, auch wenn dadurch nicht beide Perspektiven des Unterrichts beleuchtet werden können.
Für mich war das Studienprojekt dennoch ein wichtiger Aspekt meines Professionalisierungsprozesses im Sinne des Forschenden Lernens. Ich konnte durch die Planung, Erhebung und Auswertung die Praxis im Feld Schule und die Theorie der Fachdidaktik umfassend in Verbindung bringen. Außerdem hat mir das Projekt gezeigt, dass zum Forschenden Lernen nicht nur die Praxis aus der Perspektive des Mentors und von mir selbst relevant ist, sondern dass auch die Sicht der Schüler_innen eine besondere Bedeutung hat. In den Interviews haben die Schüler_innen neben den Aussagen zum fiktiven Interview auch andere Aspekte meines Unterrichts angesprochen, was für mich sehr aufschlussreich war.
Martens, E. (2010): Wozu Philosophie in der Schule? In: Kirsten Meyer (Hrsg.) Texte zur Didaktik der Philosophie. Stuttgart: Cornelsen, 156-174.
Euler, D. (2005): Forschendes Lernen. In: Spoun, S. & Wunderlich, W. (Hrsg.) Studienziel Persönlichkeit. Frankfurt: Campus, 253-272.
SGV. NRW. mit Stand vom 27.4.2018: Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen (Teilhabe- und Integrationsgesetz).
Habermaß, J. (2002): Die Zukunft der menschlichen Natur. Frankfurt: Suhrkamp.
Özmen, E. (2015)„Warum eigentlich Werte? Einige Gedanken zur ,Flüchtlingskrise‘. In: Zeitschrift für Praktische Philosophie 2(2), 349-360.
Sistermann, R. (2011): Robinson, das Universum und die Feiertage der Religionen nach dem Bonbonmodell: Problemorientierte Unterrichtseinheiten in Praktischer Philosophie in den Klassen 5 und 6. In: ZDPE, 33(1), 22-33.
Wittschier, M. (2010): Textschlüssel Philosophie: 30 Erschließungsmethoden mit Beispielen. München: Bayerischer Schulbuch Verlag.