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Bielefeld School of Education – BiSEd

Bielefelder Lehrer*innenbildung

Campus der Universität Bielefeld
© Universität Bielefeld

Einflüsse auf die freie Meinungsäußerung von Schüler*innen im Sozialwissenschaftsunterricht

Eine qualitative Studie mit fünf Schüler*innen eines Sozialwissenschaftskurses

Studierender: Hani Hrtani

Betreuende*r Dozent*in: Marcel Beyer

Studiengang: GymGe

Studienprojektvariante: Forschung in fremdem Unterricht

methodische Umsetzung: qualitativ

 

Forschungsfrage

Welche Einflüsse wirken sich auf die freie Meinungsäußerung von Schüler:innen im Sozialwissenschaftsunterricht aus?

Das Ziel der Arbeit ist es, generelle Einflüsse auf die freie Meinungsäußerung der Schüler*innen im Sozialwissenschaftsunterricht zu untersuchen.

Zentral sind hierbei theoretische Konzepte im Rahmen des fachdidaktischen Prinzips von Kontroversität und Pluralität, welche Grundsätze von Multiperspektivität im Unterrichtsgespräch aufzeigen. Den Einblick in die Erfahrungen der Schüler*innen bietet eine Gruppendiskussion, in welcher die Teilnehmenden Bezüge zueinander herstellen und sich ergänzen oder auch widersprechen können. Diese Erfahrungen werden mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet, um sie in Kategorien zu unterteilen und anschließend zu interpretieren.

Die Auswertung zeigt, dass die Schüler*innen einem kontroversen Unterrichtsklima essenzielle Bedeutung beimessen. Dabei brauchen sie allerdings Gewissheit, dass sich ihre Meinung nicht auf die Benotung auswirkt und sie ihre Ansichten erklären können, um nicht missverstanden oder -interpretiert zu werden.

Müller (2021) bietet einen Einblick in das Kontroversprinzip. Ergänzend bietet Hedtke (2015) mit der Wissenschaftsorientierung einen Bezugspunkt, mit welchem Kontroversität im Unterricht geschaffen werden kann. Die Rolle der Lehrkraft ist zentral in der Unterrichtsgestaltung, und Aspekte wie Leistungsbeurteilung und auch das Überwältigungsverbot bieten zusätzliche theoretische Grundlagen (Reinhardt 1988; Ost, 1988). Diese richten sich im Grundsatz nach dem Beutelsbacher Konsens (Wehling, 1977).

Forschungsmethode: qualitativ

Die Studie ist explorativ aufgebaut und nutzt demnach eine grob angeleitete Gruppendiskussion als Basis zur Erhebung der Daten. Diese Diskussion wurde nach aufgezeichneter Durchführung transkribiert, um die relevanten Daten im Auswertungsprozess nach Mayring in Haupt- und Unterkategorien zu untergliedern. Diese Kategorien werden nach Häufigkeit sortiert, um zwar keine generell repräsentativen, dennoch für die Diskussion relevante Punkte aufzuzeigen.

Die Studie gibt Einblick darin, wie sich Schüler*innen in ihrer freien Meinungsäußerung bestärkt oder auch gehemmt fühlen können. Die Illustrationen der Lernenden lassen sich dabei in fünf Hauptkategorien unterteilen: Vorherrschende Meinungen, die Rolle der Lehrkraft, die Rolle des Kurses und die Konsequenzen der Meinungsäußerung.

Hier wird deutlich, dass das Unterrichtsklima zentral dazu beiträgt, ob und wie weit die Schüler*innen ihrer Meinung entsprechend am Unterrichtsdiskurs teilnehmen möchten. Ein bereits bestehender Konsens hindert sie daran, sich gegen das Klassengefüge auszusprechen, wodurch klar wird, dass das Handeln der Lehrkraft ebenfalls wesentlich ist. Sie kann den Unterrichtsdiskurs durch das Aufbrechen eines potenziellen Konsens erweitern und Lernenden die Hürde nehmen, ihre gegensätzliche Position zu äußern. Dabei möchten die Unterrichtsteilnehmer keine Konsequenzen befürchten, wodurch die Lehrkraft in der Pflicht ist, die Meinungen nicht in die Leistungsbeurteilung miteinzubeziehen und den Kurs zu einem offenen Umgang anzuhalten.

Aufgrund des explorativen Ansatz wurde beispielsweise der Leitfaden der Gruppendiskussion offen gehalten. Die Diskussion entfernte sich u.a. dadurch von der ursprünglichen Fragestellung, woraufhin diese im nachhinein geöffnet wurde. So wurde die Diskussion nicht nur auf Faktoren hin untersucht, welche die freie Meinungsäußerung der Schüler*innen hemmen, sondern auf, wie diese gefördert werden kann. Zwar ist das Instrument der Gruppendiskussion grundsätzlich etwas offener, dennoch würde ich in Zukunft stärker die Funktion des Moderators nutzen, um die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden auf den Themenschwerpunkt zu lenken.

Zudem empfand ich die Auswertung als Herausforderung, da die Kategoriebildung dem Auswertenden viel Freiheit bietet. Dadurch fühlte ich mich teilweise unsicher im Prozess. Um sicherer zu werden, habe ich mir andere Arbeiten angesehen, welche ähnlich vorgegangen sind.

Dies würde ich in zukünftigen empirischen Arbeiten im Zweifel ebenfalls tun. Bereits bestehende Arbeiten zeigen, wie Forscher*innen mit bestehender Methodik umgehen und diese in der Praxis anwenden. Dies sind Beispiele, an denen man sich (teilweise) orientieren kann, um Zweifel aus dem Weg zu räumen.

Dieses Forschungsprojekt hat der Entwicklung in Hinblick meiner Professionalisierung als zukünftiger Lehrkraft beigetragen, da ich die Sicht der Schüler*innen nun besser nachvollziehen kann. Zudem bin ich mir meiner Rolle im Diskurs stärker bewusst und werde versuchen, möglichem (Schein)Konsens entgegenzuwirken und den Schüler*innen pluralistische Perspektiven aufzeigen, wo es mir möglich ist.

Das empirische Arbeiten hat mir Berührungsängste mit der Praxis des empirischen Forschens genommen, wodurch ich empirische Instrumente in anderen Arbeiten stärker in Erwägung ziehe und bereits Übung mit der qualitativen Herangehensweise erhalten habe. Ich kann diese Prozesse zudem besser planen.

Engartner, T., Hedtke, R., & Zurstrassen, B. (2021): Sozialwissenschaftliche Bildung. Politik - Wirtschaft - Gesellschaft. Paderborn: Ferdinand Schöning.

Hedtke, R. (2015): Wissenschaftsorientierung und Kontroversität in der ökonomischen Bildung. GWP – Gesellschaft. Wirtschaft. Politik. 64 (4), 445–450.

Lamnek S. & Krell, C. (2016): Qualitative Sozialforschung. Weinheim: Beltz.

Mayring, P. & Fenzl, T. (2014): Qualitative Inhaltsanalyse. In: Baur, N. & Blasius, J. (Hrsg.) Handbuch Methoden der empirischen Sozialforschung. Wiesbaden: Springer VS, 543-556. https://doi.org/10.1007/978-3-531-18939-0_38

Mayring, P. (2015): Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken (12. Aufl.). Weinheim; Basel: Beltz.

Müller, S. (2021): Kontroversität. In: Sander, W. & Pohl, K. (Hrsg.) Handbuch politische Bildung. Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag, 231-239.

Ost, P. (1988): Probleme der Leistungsbeurteilung im Politikunterricht. In: Gagel, W. & Menne, D. (Hrsg.) Politikunterricht: Handbuch zu den Richtlinien NRW. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 251-263.

Reinhardt, S. (1988): Kontroverses Denken, Überwältigungsverbot und Lehrerrolle. In: Gagel W. & Menne D. (Hrsg.) Politikunterricht: Handbuch zu den Richtlinien NRW. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden, 65-73.

Wehling, H.-G. (1977). Konsens à la Beutelsbach? Nachlese zu einem Expertengespräch. In: Schiele, S. & Schneider, H. (Hrsg.) Das Konsensproblem in der politischen Bildung. Stuttgart: Klett, 173-184.

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