Bielefelder Lehrer*innenbildung
Betreuende*r Dozent*in: Prof. Dr. Schüler
Studiengang: GymGe
Studienprojektvariante: Einzelfallarbeit zu Diagnose und Förderung
Methodische Umsetzung: qualitativ
Forschungsfrage
Inwiefern trägt eine konkrete, z. T. von außen gesteuerte Sequenzierung des Schreibprozesses durch Hilfen in Form von Teilaufgaben, Formulierungshilfen und Mindmaps positiv zum Verfassen des Textes bei?
Wie unterscheiden sich die Planungsprozesse der Schüler*innen durch die Hereingabe von Hilfen?
Das Ziel des Studienprojektes ist es, die Auswirkungen von Planungshilfen (Teilaufgaben, Mindmaps, Formulierungshilfen) auf den Schreibprozess beim Materialgestützten Schreiben argumentierender Texte festzustellen. Dafür wurde eine qualitative Studie durchgeführt, die kurzum aus der Beobachtung und Aufzeichnung der Schreibprozesse zweier Schülerpaare im kooperativen Schreibgespräch bestand. Es konnte herausgestellt werden, dass Teilaufgaben den Prozess positiv beeinflussen, jedoch als kontraproduktiv für die Textkohärenz bewertet werden können. Ähnlich ist es bei Mindmaps, deren Einfluss ebenso untersucht wurde. Formulierungshilfen haben sich als produktiv erwiesen, jedoch sind sie im Hinblick auf Kompetenzen und Prüfungen kritisch zu betrachten. Generell ist eine gezielte Phasierung des Schreibprozesses förderlich, allerdings werden Schüler*innen durch sie in ihren individuellen Denkprozessen beeinflusst.
Der Schreibprozess des Materialgestützen Schreibens kann durch Planungshilfen wie z. B. Teilaufgaben (vgl. Schüler 2017, 122) und Formulierungshilfen (vgl. Schüler 2018b, 162) entlastet werden. Dennoch soll explizit beim Materialgestützen Schreiben der Schreibprozess eigenverantwortlich gestaltet werden (vgl. Becker-Mrotzek 2014, 486). Auch die eigenständige Erstellung von Schreibplänen zählt zu den prozessbezogenen Kompetenzen (vgl. Abraham et al. 2016, 4).
Es wurden zwei Schülerpaare während ihres Bearbeitungsprozesses einer materialgestützten Schreibaufgabe beobachtet und gefilmt. Sie bearbeiteten die Aufgabe im kooperativen Schreibgespräch (vgl. Lehnen 2017, 306). Nur eine der beiden Gruppen erhielt die Planungshilfen. Beide Gruppen hatten jeweils 2x45 Min. Zeit. Anschließend wurden retrospektive Interviews durchgeführt, um eine Reflexion zu veranlassen. Das generierte Datenmaterial besteht aus den Videoaufzeichnungen, Transkripten, ausgefüllten Hilfen und Textzwischenprodukten der Schüler*innen.
Ein grundlegendes Ergebnis ist, dass der Einsatz von Planungshilfen beim Schreiben materialgestützter argumentierender Texte Potentiale, aber auch Hürden haben kann. Teilaufgaben haben auf Schüler*innen eine unterstützende Wirkung, allerdings bedingen sie eine pragmatische Abarbeitung der Aufgaben, wodurch die Textkohärenz negativ beeinflusst wird. Die sprachlichen Hilfen entlasten den Prozess und ermöglichen den Schreibenden, sich neues Sprachwissen anzueignen bzw. es zu erproben. Dennoch sind Formulierung und Sprachlichkeit Bewertungsaspekte, weshalb die Hereingabe von Formulierungshilfen weniger produktiv ist als die Vermittlung von angemessenen Ausdrucksweisen im Vorfeld des Unterrichts, die die Schüler*innen in ihren Texten frei gebrauchen können. Problematisch ist, dass die Hilfen bewirken, dass Schüler*innen ihre eigenen Denkansätze zurückstellen und ihr eigenes Denken nicht weiter entwickeln.
Der Forschungsprozess ist gut verlaufen, allerdings war die Zeitbegrenzung aufgrund der Durchführung im Schulalltag eine Herausforderung. Es ist diskutabel, ob an der durchgeführten Forschung bei einer Wiederholung etwas geändert werden sollte. Aufgrund der Datentriangulation und der verschiedenen Textprodukte existiert ein Datenkorpus, der mehr Informationen bietet als analysiert werden konnten. Bei einer gewünschten Reduktion könnte bei einer Wiederholung der aufgezeichnete Prozess der Schüler*innen noch stärker auf die Planung des Schreibens forciert werden. Außerdem sollte ggf., sofern es die schulischen Umstände erlauben, mehr Zeit für die Forschung eingeräumt werden, da für die Interpretationen in diesem Studienprojekt Textendprodukte produktiv gewesen wären, diese allerdings aufgrund der zeitlichen Limitation nicht generierbar waren. Aus dem Prozess kann mitgenommen werden, dass sich ein "Einblick" in Form einer Forschung als äußerst lehrreich und produktiv erweisen kann. Die Analyse hat gezeigt, dass Planungs- und Formulierungshilfen im Deutschunterricht Schüler*innen motiviert, ihre eigenen Überlegungen zurückzustellen, um möglichst den Anforderungen der Lehrkraft gerecht zu werden.
Die Durchführung dieser Studie hat für meine eigene Professionalisierung eine immense Bedeutung. So habe ich den Anspruch an mich als Lehrkraft entwickelt, Schüler*innen wiederkehrend nahezulegen, ihre eigenen Ideen zu entfalten und Zeit dafür zu finden, ihren Bedürfnissen nachzukommen. Dies bezieht sich u. a. auf die ggf. notwendige Repetition von schreibtechnischen Grundlagen und der Besprechung von gelungenen Textbeispielen. Ebenso wurde mir bewusst, wie stark Schüler*innen durch die Hereingabe von Materialien gedanklich beeinflusst werden.
Abraham, Ulf/ Baurmann, Jürgen/ Feilke, Helmuth (2015): Materialgestütztes Schreiben. Praxis Deutsch, 42, 251, 4-12.
Becker-Mrotzek, Michael (2014): Bildungsstandards und Schreibaufgaben. In: Feilke, Helmtuh/ Pohl, Thorsten (Hg.): Schriftlicher Sprachgebrauch - Texte verfassen. Baltmannsweiler: Schneider, 349-363.
Lehnen, Katrin (2017): Kooperatives Schreiben. In: Becker-Mrotzek, Michael/ Grabowski, Joachim/ Steinhoff, Thorsten (Hg.): Forschungshandbuch empirische Schreibdidaktik. Münster: Waxmann, 299-314.
Schüler, Lisa (2017): Materialgestütztes Schreiben argumentierender Texte. Untersuchungen zu einem neuen wissenschaftspropädeutischen Aufgabentyp in der Oberstufe. Bd. 25.: Thema Sprache – Wissenschaft für den Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider.
Schüler, Lisa (2018a): Der materialgestützte Kommentar als Abiturprüfungsaufgabe. Exemplarische Analysen zur Aufgabenschwierigkeit in Schülertexten und Lehrergutachten. In: Feilke, Helmuth/ Lehnen, Katrin/ Rezat, Sara/ Steinmetz, Michael (Hg.): Materialgestütztes Schreiben – Erfahrungen aus der Praxis und Perspektiven der Forschung. Stuttgart: Klett, 115-150.