Bielefelder Lehrer*innenbildung
Betreuende*r Dozent*in: Dr. Janina Reinhardt
Studiengang: GymGe
Studienprojektvariante: Forschung in fremdem Unterricht
Forschungsfrage
1) Welche subjektiven Ursachen für Sprechblockaden von Schülerinnen und Schülern im Spanischunterricht gibt es aus Schülerperspektive?
2) Sind bei den durch 1) festgestellten subjektiven Ursachen Zusammenhänge zwischen bestimmten Ursachen erkennbar?
Im Fremdsprachenunterricht lassen Lernende viele Möglichkeiten, sich an der zielsprachigen Interaktion zu beteiligen, aus. Im Rahmen der vorliegenden Studie wurde das Problem mit dem Begriff "Sprechblockaden" überschrieben und anhand einer quantitativen Befragung in zwei Lerngruppen wurden die Ursachen für subjektive Sprechblockaden im Spanischunterricht untersucht. Dabei stachen der Perfektionismus der Lernenden und die Geringschätzung ihrer eigenen kommunikativen Kompetenzen als häufig hemmende Faktoren hervor. Die Persönlichkeit der Lehrperson wurde hingegen nur selten als Ursache für Sprechblockaden angegeben. Starke Zusammenhänge zwischen Ursachen, die von dem/der Lernenden ausgehen, und solchen, für welche die Lehrkraft verantwortlich ist, lassen jedoch vermuten, dass die Lehrkraft eine einflussreiche Rolle im Hinblick auf die Häufigkeit von Sprechblockaden einnimmt.
In der Fremdsprachendidaktik wird von fremdsprachenspezifischer Angst (Nardi 2006) und von Hemmungen, sich zu äußern (Fischer 2005), gesprochen. Viele Lernende haben Panik vor dem Sprechen in der Zielsprache und nur geringes Vertrauen in die eigenen Kompetenzen (Horwitz et al. 1986). Die Angst vor Fehlern hält sie von der Mitarbeit ab (Inozemtseva 2016). Weitere Ursachen sind der Konkurrenzgeist in der Gruppe (vgl. Horwitz et al. 1986), die Fachwertschätzung (Beermann & Cronjäger 2011) und die Lehrperson (Burwitz-Melzer et al. 2016).
Forschungsmethode: quantitativ
Zur Beantwortung der Fragestellungen wurden 29 Schülerinnen und Schüler aus zwei Lerngruppen einer Gesamtschule mittels eines nahezu vollstandardisierten elektronischen Fragebogens zu den Ursachen befragt, die bei ihnen persönlich dazu führen, sich nicht an der zielsprachigen Interaktion im Spanischunterricht zu beteiligen. Der Fragebogen wurde gewählt, da es im schulischen Kontext unüblich ist, über Gefühle beim Fremdsprachenlernen zu sprechen, und sich daher eine schriftliche Form der Befragung, die außerhalb der Schule anonym bearbeitet werden konnte, anbot.
Sowohl im ersten als auch im zweiten Lernjahr sorgt das Streben nach Perfektion am häufigsten für Sprechblockaden im Spanischunterricht. An zweiter Stelle steht die Geringschätzung der eigenen kommunikativen Kompetenzen von den Lernenden. Persönliche Eigenschaften wie Schüchternheit sind nur bei manchen Lernenden für die Nichtbeteiligung an der zielsprachigen Interaktion verantwortlich. Diese Ergebnisse bestätigen, dass sich risikovermeidende Lernende seltener an der Kommunikation im Unterricht beteiligen. Somit scheint die häufigste Ursache für Sprechblockaden im Spanischunterricht bei dem Lerner bzw. der Lernerin selbst zu liegen.
Doch auch die Lehrperson hat einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf den Mut und die Lust der Lernenden, sich an der spanischsprachigen Interaktion zu beteiligen. Denn: je häufiger die Befragten die Persönlichkeit der Lehrperson als Ursache für ihre Sprechblockaden im Spanischunterricht einschätzten, desto häufiger schätzten sie auch das Streben nach Perfektion als Ursache dafür ein.
Im Forschungsprozess haben sich für mich keine nennenswerten Schwierigkeiten ergeben. Zu den erhobenen Daten kann gesagt werden, dass es sich um Auskünfte der Spanischlernenden zu ihren eigenen Gedanken, Gefühlen und Einstellungen im Spanischunterricht handelt und somit ihre Zuverlässigkeit eingeschränkt ist. Zudem ist die Vergleichbarkeit des Fragebogens mit anderen Studien nur teilweise gegeben, da nicht vollständig auf etablierte Items zurückgegriffen wurde. Das könnte besser gemacht werden. Dennoch konnte die erste Fassung des Fragebogens nach Gesprächen mit Lehrpersonen und Studierenden erfolgreich revidiert werden. Ich empfehle, dies vor der Verwendung des Fragebogens zu machen.
Insgesamt darf die vorliegende Forschung als gelungen betrachtet werden, da sie die anfangs aufgestellten Hypothesen erfolgreich überprüft hat und durch die offenen Items im Fragebogen weitere Ursachen für subjektive Sprechblockaden im Spanischunterricht aus Schülerperspektive gefunden wurden.
Der elektronische Fragebogen bietet Spanischlehrkräften die Möglichkeit, herauszufinden, welche Faktoren die Schülerinnen und Schüler an der mündlichen Beteiligung am Unterricht hemmen, ohne im Unterricht Zeit zu verlieren. Allerdings sollte der Fragebogen stets aktualisiert werden, indem er durch neue Items nach Erkenntnis der „neuen“ Ursachen angereichert wird.
Ich würde den Fragebogen bei einer weiteren Forschung mehr als einmal einsetzen, zum Beispiel zu Beginn und am Ende einer Unterrichtsreihe, und in der Zwischenzeit versuchen, den erkannten Faktoren entgegenzuwirken, um meine Möglichkeiten zur Verringerung von Sprechblockaden herausfinden zu können. Das würde allerdings eine weitere Fragestellung hinzufügen oder die vorhandene verändern, was angesichts des begrenzten Umfangs des Studienprojektberichts wohl durchdacht werden müsste.
Beermann, Christian; Cronjäger, Hanna 2011): Die Rolle der Fachwertschätzung für Freude, Langeweile und Angst im Fach Französisch. Eine mehrebenenanalytische Längsschnittstudie über die Sekundarstufe I unter Verwendung von Piecewise Growth Modellen. Zeitschrift für Interkulturellen Fremdsprachenunterricht, 2, 18-34.
Burwitz-Melzer, Eva; Melhorn, Grit; Riemer, Claudia; Bausch, Karl-Richard; Krumm, Hans-Jürgen (2016): Handbuch Fremdsprachenunterricht. 6. Auflage. Tübingen: A. Francke.
Döring, Nicola; Bortz, Jürgen (2016): Forschungsmethoden und Evaluation in den Sozial- und Humanwissenschaften. 5. Auflage. Berlin [u.a.]: Springer.
Fischer, Sylvia (2005): Sprechmotivation und Sprechangst im DaF-Unterricht. Gfl-journal, 3, 30-45.
Horwitz, Elaine K.; Horwitz, Michael B.; Cope, Joann (1986): Foreign Language Classroom Anxiety. The Modern Language Journal, 2, 125-132.
Nardi, Antonella (2006): Der Einfluss außersprachlicher Faktoren auf das Erlernen des Deutschen als Fremdsprache. Dissertation, Universität Zürich. https://www.zora.uzh.ch/id/eprint/163439/1/20060110.pdf [06.08.2020].
Plikat, Jochen (2012): Hable con ellos. Sprechkompetenz im Spanischunterricht gezielt fördern. Der Fremdsprachliche Unterricht Spanisch, 39, 4-9.