Es wächst (wieder) zusammen, was zusammen gehört – das Eichsfeld nach vierzigjähriger Trennung. Ein sozioanalytisches Interviewprojekt zum Verständnis von individuellen Entwicklungsbegrenzungen im Zuge der SED-Diktatur
Das Forschungs- und Bildungsprojekt ist an der Schnittstelle von Theorie und Praxis angesiedelt und soll einen Verständnisbeitrag zum Wirken symbolischer Gewalt in ost- und westdeutschen Biographien leisten. Gleichzeitig geht es um die Transformation von Handlungs- und Deutungsmustern von Individuen durch ein Leben in einem demokratischen System.
Das Eichsfeld war 1945-1989 durch die innerdeutsche Grenze geteilt und weist als konservative, katholische und ländlich geprägte Region eine ganz eigene Sozialstruktur auf. Die Teilung riss Familien auseinander, so dass trotz eines gemeinsamen Habitus - vor allem geprägt durch die soziale Lage der Herkunftsfamilie - unterschiedliche Geschwisterbiographien in den jeweiligen Staaten entstanden sind. Mithilfe des verstehenden, sozioanalytischen Forschungsansatzes Bourdieus, der seiner gesellschaftskritischen Studie zum „Elend der Welt“ (1997) zugrunde liegt, sollen die Biographien von Geschwistern auf das Wirken symbolischer Gewalt hin vergleichend analysiert werden.
Die aus der Forschung entstehenden Zeitzeugeninterviews werden für die Zukunft dokumentiert und stellen einen Beitrag zur Erinnerungsspeicherung der Sed-Diktatur dar. Weiter sollen die Erkenntnisse dieser Forschung, insbesondere zum Wirken symbolischer Gewalt, für die Bildungsarbeit der Bildungsstätte am Grenzlandmuseum Eichsfeld aufbereitet und in einem entsprechenden Weiterbildungskonzept an Schüler vermittelt werden. Zudem stellt die Forschungspraxis zum Fremdverstehen selbst auch einen Bildungsinhalt dar, so dass Schülern der gymnasialen Oberstufe auch ein forschendes Lernen und damit ein Zugang zu sozialwissenschaftlicher Forschung vermittelt wird.
Das Projekt befindet sich in der Startphase. Es werden bereits vorhandene Interviews gesichtet und die Forschungsphase vorbereitet.