In Bezug auf das Arbeitsleben ist Behinderung zunächst einmal ein sozialrechtlicher Begriff. Unter der Annahme, dass Menschen mit Behinderung in der heutigen Gesellschaft, so wie sie gegenwärtig ist, eingeschränkte Möglichkeiten zur selbstbestimmten Teilhabe haben, regeln verschiedene Rechtstexte Ansprüche auf Teilhabeleistungen und ihre Finanzierung sowie die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen. Ziel dieser Regelungen ist, dass Menschen mit ihrer jeweiligen Behinderung ein so weit als möglich selbstbestimmtes und eigenständiges Leben in allen Lebensbereichen führen und – auch soweit es den Arbeits- oder Ausbildungsplatz betrifft – ihr Potential ausschöpfen.
Um einschätzen zu können, welche Rechtsansprüche im Einzelfall zum Tragen kommen, sind einige Definitionen hilfreich.
Grundsätzlich gelten alle Menschen mit oder ohne Behinderung als Rechtssubjekte, die Träger*innen der unveräußerlichen Menschenrechte sind. Das menschenrechtliche Fundament des Behinderungsbegriffs ist in der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) festgelegt:
„Zu den Menschen mit Behinderungen zählen Menschen, die langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, welche sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können“ (Art. 1 UN-BRK PDF).
In Deutschland erfolgt die Umsetzung der UN-BRK v.a. über das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX). Dort sind u.a. Kriterien einer Behinderung von der UN-BRK abgeleitet und für Deutschland festgelegt. Genau wie die UN-BRK benennt das SGB IX drei Kriterien, die zusammengenommen 'Behinderung' im Sinne der gesellschaftlichen Teilhabebefähigung auslegen:
Darüber hinaus sind verschiedene Unterscheidungen von Behinderung und chronischer Erkrankung relevant:
Zu diesem Personenkreis gehören Menschen ohne amtlich anerkannte Behinderung, deren körperliche Funktionen, geistige Fähigkeiten oder seelische Gesundheit vom normalerweise erwartbaren alterstypischen Zustand einschränkend abweicht. Ob ein*e Betroffene*r dabei von Behinderung bedroht ist, ist im Einzelfall fachlich zu berücksichtigen. Maßgeblich für die Anwendung des Behindertenbegriffs ist die potentielle oder faktische Einschränkung der gesellschaftlichen, bei Erwachsenen insbesondere der beruflichen Teilhabe.
So kann beispielsweise ein*r Arbeitnehmer*in, der*die an einer Depression erkrankt und seitdem häufige krankheitsbedingte Fehlzeiten an seinem Arbeitsplatz von einer Behinderung bedroht sein. Auch ein*r Tierpfleger*in, der*die infolge eines Unfalls auf unabsehbare Zeit in seiner Mobilität eingeschränkt ist, kann von einer Behinderung bedroht sein, z.B. wenn Gelenke zu versteifen drohen und die Ausübung der bisherigen Tätigkeit einschränken.
Ab einem amtlich festgestellten Grad der Behinderung von 20 gilt ein Mensch als behindert.
Ab einem amtlich festgestellten Grad der Behinderung von 50 gilt ein Mensch als schwerbehindert.
Menschen mit einem Grad der Behinderung von 30 oder 40 können schwerbehinderten Menschen rechtlich gleichgestellt werden.
Als schwerwiegend chronisch krank gelten nach der Chroniker-Richtlinie Menschen, die mindestens ein Jahr lang einmal oder häufiger pro Abrechnungsquartal auf ärztliche Behandlung angewiesen sind, ohne die es zu einer dauerhaften Beeinträchtigung der Lebensqualität oder einer massiven Verschlimmerung der Krankheitssymptomatik kommen würde. Auch ein Pflegegrad kann ein Kriterium für eine schwere chronische Erkrankung sein.
Unter chronische Erkrankungen fallen psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen wie z.B. Angsterkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Suchterkrankungen, Zwangserkrankungen, Essstörungen, Traumfolgestörungen, Depressionen sowie neurologische Entwicklungsstörungen wie z.B. Autismus-Spektrum-Störungen (ASS), Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörungen (ADHS), Legasthenie oder Dyslexie.
Weitere chronische Erkrankungen sind z.B. Herz-Kreislauferkrankungen, Rheuma, Multiple Sklerose, entzündliche Darmerkrankungen, Diabetes, Allergien, Rückenleiden, Krebserkrankungen oder auch Migräne.
Schwere chronische Erkrankungen können als (Schwer-)Behinderung anerkannt werden. Maßgeblich für die Einstufung als Behinderung ist die vorliegende Einschränkung der gesellschaftlichen Teilhabe. Im Falle, dass eine Behinderung amtlich festgestellt wird, können chronisch erkrankte Menschen von den spezifischen Rechten behinderter Menschen Gebrauch machen.