Karriereplanung und Berufseinstieg sind Themen, die während des Studiums früher oder später eine wichtige Rolle spielen. Insbesondere Studierende mit Behinderung, chronischer oder psychischer Erkrankung haben neben den vielen offenen Fragen zum Bewerbungsprozess oft zusätzlichen Klärungsbedarf in Bezug auf ihre Behinderung oder Erkrankung.
Wir empfehlen, sich parallel mit der beruflichen Orientierung und dem beruflichen Umgang mit der eigenen Behinderung oder Erkrankung zu beschäftigen. Im Folgenden möchten wir Ihnen erste Denkanstöße, Informationen und Adressen von Beratungsstellen geben.
Spätestens im Bewerbungsprozess stellt sich für Absolvent*innen mit einer Behinderung, chronischen oder psychischen Erkrankung die Frage, ob sie dies ihrem zukünftigen Arbeitgeber mitteilen wollen und wenn ja, wie offen sie mit der eigenen gesundheitlichen Beeinträchtigung gegenüber dem*der Arbeitgeber*in oder am Arbeitsplatz umgehen möchten. Grundsätzlich müssen Bewerber*innen und Arbeitnehmende eine chronische Erkrankung, Behinderung oder Schwerbehinderung bei Ihrem*ihrer Arbeitgeber*in nicht offenlegen.
Daher gibt es keine pauschale Empfehlung und für viele Betroffene kann diese zentrale Frage eine sehr persönliche Angelegenheit sein. Die individuell passende Strategie zu finden, ist oft ein Prozess, für den sich Studierende Zeit nehmen sollten. Bei Bedarf kann dieses Thema im Rahmen eines Beratungsgesprächs mit unabhängigen Beratungsstellen thematisiert oder im Vorfeld der Bewerbung mit der zuständigen Schwerbehindertenvertretung des potenziellen Arbeitgebers besprochen werden.
Je nach Situation können die nachfolgenden Hinweise die individuelle Entscheidungsfindung unterstützen:
In Fällen, in denen Bewerber*innen aufgrund ihrer Erkrankung bzw. Behinderung die von ihnen zu erwartenden Aufgaben nur teilweise oder überhaupt nicht erledigen können, muss der *die Arbeitgeber*in vor Vertragsabschluss darüber in Kenntnis gesetzt werden. Gleiches gilt, wenn eine Behinderung oder Erkrankung sicherheitsrelevante Auswirkungen bei der Ausübung der angestrebten Tätigkeit hat.
Beispiel 1: Eine Person kann aufgrund eines chronischen Knieleidens keine Leitern ersteigen. Bewirbt sich diese Person nun auf eine Tätigkeit, die regelmäßiges und häufiges Leitersteigen beinhaltet, könnte sie diese Aufgabe nicht ausführen. In so einem Fall muss die Arbeitgeberin von dem Knieleiden unterrichtet werden.
Beispiel 2: Ein*e Bewerber*in kann infolge eines Unfalls nur noch eine begrenzte Stundenanzahl pro Tag seiner*ihrer Bürotätigkeit nachgehen. Auch hier muss die Arbeitgeberin zeitnah informiert werden, um angemessenen Vorkehrungen wie eine spezifische Arbeitsplatzausstattung oder eine vorübergehende Teilzeitbeschäftigung zu treffen.
Bewerber*innen, die sich entschieden haben und ihre Behinderung oder chronische Erkrankung bereits in der Bewerbungsphase offen kommunizieren möchten oder müssen, weil sie die von ihnen erwarteten Aufgaben nur teilweise oder gar nicht erfüllen können oder sicherheitsrelevante Auswirkungen bei der Ausübung der angestrebten Tätigkeit bestehen, haben verschiedene Möglichkeiten, dies zu kommunizieren:
Menschen mit Behinderung, chronisch-somatischer oder chronisch-psychischer Erkrankung sollten die Möglichkeit prüfen, einen Grad der Behinderung (GdB) amtlich feststellen zu lassen.
(Zukünftige) Arbeitnehmer*innen mit einem GdB haben abhängig vom Grad der Behinderung Anspruch auf verschiedene Unterstützungs- und Nachteilsausgleiche im Arbeitsleben und darüber hinaus. Auch Merkzeichen bei festgestellter Schwerbehinderung berechtigen zu unterschiedlichen Nachteilsausgleichen oder Unterstützungsleistungen.
Gut zu wissen ist, dass ein Antrag und ggf. eine amtliche Feststellung einer Schwerbehinderung nicht zwingend dem Arbeitgebenden mitgeteilt werden müssen. Es kann daher lohnenswert sein einen Antrag zu stellen, um im Zweifelsfall eine amtlich festgestellte Behinderung oder Gleichstellung nicht erst beantragen zu müssen, wenn akuter Bedarf für einen Nachteilsausgleich oder z.B. eine Maßnahme der Arbeitsplatzumgestaltung notwendig wird.
Menschen mit einem GdB von 30 oder 40 können schwerbehinderten Menschen sozialrechtlich gleichgestellt werden, sofern ihre Behinderung die Teilhabe am Arbeitsleben konkret beeinträchtigt. Bei einer Gleichstellung geht es um die Sicherung oder Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes und der*die Arbeitgeber*in kann von solch einem Antrag Kenntnis erlangen.
In Anbetracht der Komplexität gesundheitsbezogener Themen und der damit ggf. verbundenen rechtlichen Fragen kann es ratsam sein, sich an eine geeignete Beratungsstelle zu wenden, um die individuellen Entscheidungen zu unterstützen und die eigenen Rechte und Pflichten zu kennen. Neben Gewerkschaften, Sozialverbänden, Ergänzender unabhängiger Teilhabeberatung (EUTB) oder Selbsthilfeorganisationen können sich Studierende an der Universität Bielefeld auch an den Career Service und das Hochschulteam der Agentur für Arbeit Bielefeld wenden.
Für eine allgemeine berufliche Orientierung und Fragen zur Karriereplanung sind insbesondere der Career Service der Universität Bielefeld als auch die Agentur für Arbeit erste Anlaufstellen.
Der Career Service unterstützt alle Studierenden der Universität Bielefeld dabei, bereits frühzeitig im Studium berufliche Perspektiven zu entwickeln und Karriereziele zu verfolgen. Neben Einzelberatungen können Studierende verschiedene Workshops zu den Themen ‚Bewerben mit Behinderung, chronischer oder psychischer Erkrankung‘ (in Kooperation mit der ZAB), 'Kompetenzen ermitteln', 'Stellensuche und Bewerbung' sowie 'Ziel- und Entscheidungsfindung' nutzen.
Für Promovierende und Postdocs mit dem Ziel einer außeruniversitären Karriere bietet der Career Service ebenfalls individuelle Beratung, Veranstaltungen und Workshops an.
Das Hochschulteam der Agentur für Arbeit Bielefeld unterstützt Studierende und Absolvent*innen der Universität Bielefeld bei der Berufsorientierung, der Bewerbung und dem Berufseinstieg. Das Angebot besteht aus verschiedenen Beratungsformaten wie Kurzberatung, Beratungsreihen und Coaching beim Berufseinstieg. Workshops- und Kleingruppenseminare sowie Vortragsveranstaltungen ergänzen die Einzelberatung.
Schwerbehinderte Akademiker*innen können auch die individuelle sowie personenbezogene Beratung der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) mit dem Schwerpunkt schwerbehinderte Akademiker*innen nutzen. Hier können Sie sich über Möglichkeiten zur Unterstützung und finanziellen Förderung informieren und weden bei der kompetenzorientierten und bewerberinnenzentrierten Stellensuche unterstützt. Zudem bietet die ZAV Hinweise zur Bewerbungsstrategie und Tipps zur Gestaltung von Bewerbungsunterlagen.
Das inklusive Expert*innen-Netzwerk (iXNet) von und für Akademiker*innen mit Behinderungen möchte behinderte Akademiker*innen empowern mittels Netzwerkwissen, Info-Veranstaltungen und einem Beratungsteam bei der Karriereplanung. iXNet ist ein digitales Angebot des "Arbeitgeber-Service für schwerbehinderte Akademiker der Bundesagentur für Arbeit". Das virtuelle Informations- und Veranstaltungsportal orientiert sich dabei stark an den Wünschen und Bedarfen und zeichnet sich vor allem durch seinen Peer-Support-Charakter aus.
Auch im Internet gibt es Angebote zur Unterstützung der eigenen Entscheidungsfindung. Die Webseite Sag ich’s bietet Tests und Informationsangebote, die Arbeitnehmer*innen dabei unterstützen sollen, Argumente für und gegen einen offenen Umgang mit der eigenen Behinderung oder Erkrankung am Arbeitsplatz zu sammeln und Reflexionsprozesse anzustoßen. Außerdem stellt die Webseite nützliche Informationen und Materialien zu Rechten und Pflichten von Arbeitnehmer*innen mit Behinderung, chronischer oder psychischer Erkrankung zur Verfügung. Auch Arbeitssuchende finden hier Denkanstöße.
MyAbility.jobs ist eine Jobbörse, die darauf spezialisiert ist Ausbildungsplätze, Praktika, Trainee-, Teilzeit- und Vollzeitstellen von Unternehmen vorzustellen, die sich besonders für eine inklusive Arbeitsplatzgestaltung einsetzen möchten.
Die Bundesagentur für Arbeit stellt für Menschen mit Behinderung oder gesundheitlichen Einschränkungen z.B. finanzielle Hilfen aus dem Vermittlungsbudget zur Verfügung, wenn diese auf Jobsuche sind.