Digitalisierung, Vernetzung, Künstliche Intelligenz: Der Wandel der Arbeitswelt ist in vollem Gange. Für diesen Wandel steht das Schlagwort "Arbeit 4.0": nach der Industrialisierung, dem Fließband und den Industrierobotern wird die Technik nun vernetzter, klüger und flexibler. Maschinen lernen und kommunizieren miteinander. Was ist technisch bereits möglich? Wie sieht "Arbeit 4.0" Praxis aus? Was macht sie mit den Arbeitnehmern, was mit der Gesellschaft? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der ebenso vielfältigen wie gut besuchten ZiF-Konferenz 2017.
Fabian Quint vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Kaiserslautern präsentierte zu Beginn die flexible, modulare Fabrik der Zukunft. Sie ist die Antwort auf die Herausforderung, individualisierte Produkte – "Losgröße 1" – zum Preis und in der Qualität von Massenware zu produzieren. Starre Produktionsstraßen sind dabei wenig hilfreich, stattdessen setzen die Forscher auf einzelne vernetzte Fertigungselemente, die nach Bedarf kombiniert werden können und die die nötige Abstimmung selbstständig untereinander aushandeln, Defekte melden und den Menschen gleich bei ihrer Behebung unterstützen.
Arbeit 4.0 betrifft nicht nur die technischen Möglichkeiten. Kathinka Schüßler (Siemens AG) präsentierte neue Konzepte der Kommunikation: von Urlaubsanträgen, die online gestellt und bearbeitet werden bis hin zu einer künstlichen Intelligenz als Auskunftssystem. Auf großes Interesse des Publikums stießen ihre Ausführungen über neue Formen des Managements und der Personalführung, die in ausgewählten Abteilungen bei der Siemens AG ausprobiert werden: Der Chef bzw. die Chefin sollen sich dabei eher als Coach betrachten, die den Mitarbeitern gute Arbeits- und Entwicklungsmöglichkeiten geben, die Entscheidungswege aufzeigen, statt Entscheidungen für die Mitarbeiter zu treffen.
Macht "Arbeit 4.0" die Beschäftigten glücklich und gesund, wie es bisweilen versprochen wird? Arbeitspsychologe und Mitorganisator der ZiF-Konferenz Günter Maier (Bielefeld) betrachtete die Vor- und Nachteile neuer Arbeitsformen wie etwa des Crowdworkings, das den Beschäftigten zwar hohe Flexibilität, aber auch große Unsicherheit bringe und über die in winzige Schritte zerlegten Aufgaben das eigene Tun sinnlos erscheinen lassen könne. Es gibt zwei Szenarien für die Digitalisierung der Arbeitswelt, so Maier: das technikorientierte, bei dem der Mensch eher das Sandkorn im Getriebe der Produktion ist, und das menschenorientierte, bei der es um gute, gesunde Arbeitsplätze geht. Seinen Studien zufolge wird derzeit vor allem das erste Szenario verwirklicht.
In der Mittagszeit konnte die ZiF-Konferenz in diesem Jahr mit einem besonderen Programmpunkt aufwarten: Neun Arbeitsgruppen von der Universität Bielefeld, der Fachhochschule Bielefeld, des Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik in Paderborn und des Fraunhofer Anwendungszentrum Industrial Automation in Lemgo präsentierten Projekte zur Digitalisierung der Arbeitswelt, die die Besucher auch ausprobieren durften. Benjamin Strenge und Kollegen aus dem Bielefelder CITEC präsentierten das Projekt ADAMAS: eine Kaffeemaschine und eine Augmented-Reality-Brille. Wer letztere aufsetzte, sah auf der Kaffeemaschine Schritt für Schritt eine Bedienungsanleitung eingeblendet; wer ihr folgte, konnte mit einem leckeren Kaffee weiter durch die Ausstellung schlendern. Die modulare Fabrik der Zukunft, die Fabian Quint in seinem Vortrag beschrieben hatte, konnte man am Stand der Arbeitseinheit "Arbeits- und Organisationspsychologie" der Bielefelder Universität in Miniatur betrachten. Eine brennende Kerze, die ein Kabel überhitzte, verursachte dort eine Fehlermeldung. Um sie zu beheben, genügte es, auf dem Monitor das Symbol für das Kühlelement in die Repräsentation der Produktionsstraße ziehen. Den Rest machte die Anlage allein. An den intelligenten Arbeitstischen des CITEC, des Fraunhofer-Anwendungszentrums Industrial Automation und des Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik konnten die Besucher unter Anleitung Legomännchen und kleine Motoren zusammensetzen. Der intelligente Kopfhörer, den Joachim Waßmuth und sein Team von der Fachhochschule Bielefeld mitgebracht hatten, unterdrückt gezielt Maschinenlärm, ein Brustgurt aus dem CITEC misst die Belastungen, denen ein Beschäftigter bei der Arbeit ausgesetzt ist.
Assistenz- und Wissensmanagementsysteme können weniger ausgebildeten Menschen ermöglichen, komplexere Arbeiten zu meistern, erklärte am Nachmittag Martin Krzywdzinski (Institut für Sozialforschung, Berlin). Zugleich könnten sie den Bedarf an Facharbeitern verringern. Die viel beschworene Revolution auf dem Arbeitsmarkt sah er dennoch nicht kommen, er beschrieb eine langsame Veränderung. Auch könnten die neuen Technologien nicht ohne Mithilfe der Belegschaft eingeführt werden, noch seien deren Wissen und Problemlösekompetenz nicht zu ersetzten. Aktuell lokalisierte er die drängendsten Probleme in den Bereichen Kontrolle, Arbeitsverdichtung und Datenschutz. Er plädierte dafür, in alle Problemfeldern stark auf die Mitbestimmung und Mitgestaltung durch die Beschäftigten zu setzen.
Den Abschluss der ZiF-Konferenz bildete eine Podiumsdiskussion, die unter Rückgriff auf die Vorträge des Tages die Herausforderungen der Digitalisierung der Arbeitswelt thematisierte: Der Historiker Thomas Welskopp (Bielefeld) verortete die etwas künstlichen Versuche, Arbeitsformen durchzunummerieren in einem größeren Kontext: ein genauerer Blick in die Geschichte zeige eine kleinschrittige und teilweise zyklische Entwicklung, keine großen Sprünge. Wiebke Loos vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW begrüßte die aktuelle Diskussion um die Arbeit 4.0, denn damit kämen seit langem diskutierte aber noch immer nicht zufriedenstellend gelöste Probleme der Organisation von guter Arbeit wieder auf die Tagesordnung. Darin stimmten ihr Patrick Loos (IG-Metall Düsseldorf) und Mikko Börkircher (Arbeitgeberverband Metall, NRW) zu: man müsse sehen, was von dem großen politischen Projekt Arbeit 4.0 in den Betrieben ankomme. Während Börkircher für mehr Flexibilität in der sich international wandelnden Arbeitswelt plädierte, betonte Loos die Herausforderungen, die die Digitalisierung für die Beschäftigten mit sich bringe und die sich in unterschiedlichen Berufen ganz unterschiedlich darstellen könne. Arbeit 4.0 ist gestaltbar, so Loos, und es gilt sich darüber zu verständigen, wie zwischen Kostenreduktion, Flexibilisierung und Rationalisierung die Idee der guten Arbeit und der Einbindung der Belegschaft nicht verloren gehe.
09:00 |
Prof. Dr. Véronique Zanetti |
09:15 |
Dipl.-Ing. Fabian Quint (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Kaiserslautern) |
10:15 |
Kathinka Schüßler (Siemens AG) |
11:15 | Kaffeepause |
11:30 |
Prof. Dr. Günter Maier (Arbeits- und Organisationspsychologie, Bielefeld) |
12:30 |
Einführung in die Ausstellung: |
12:45 |
Mittagspause // Kaffee |
14:30 |
PD Dr. Martin Krzywdzinski (Sozialforschung, Berlin) |
15:30 | Podiumsdiskussion Arbeit 4.0. Potentiale, Probleme, Perspektiven mit: Dr. Mikko Börkircher (Arbeitgeberverband METALL NRW, Düsseldorf) Dr. Wiebke Lang (Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW) Dr. Patrick Loos (IG-Metall, Düsseldorf) Prof. Dr. Thomas Welskopp (Geschichtswissenschaft, Bielefeld) Moderation: Dr. Manuela Lenzen (ZiF) |