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Netzwerk zum Schreiben im Fachunterricht der gymnasialen Oberstufe (Sek. II)

Frau am Schreibtisch
© Jewgeni Roppel

Zentrale Begriffe kurz erklärt: Textprozeduren

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Der Teufel steckt bekanntlich im Detail. Das gilt auch für das Schreiben anspruchsvoller Texte, wie sie in der gymnasialen Oberstufe auf der Tagesordnung stehen – vom Versuchsprotokoll über die Gedichtanalyse bis hin zur Facharbeit. Fragen zum Aufbau dieser Textformen sind in der Regel noch verhältnismäßig schnell geklärt. Schwieriger wird es für viele Schüler:innen, wenn es darum geht, wie die Texte im jeweiligen Fach im Einzelnen zu formulieren sind. 

Die akademische Sprachdidaktik hat Lehrkräften verschiedener Fächer für diese kniffelige Aufgabe ein vielversprechendes Instrument zu bieten. Denn spätestens mit dem von Bachmann und Feilke 2014 herausgegebenen Band Werkzeuge des Schreibens ist die Didaktik der Textprozeduren und mit ihr das Formulieren verstärkt ins Zentrum des Interesses der Sprachdidaktik gerückt. Mithilfe dieses Ansatzes können die sprachlichen Feinheiten von Textsorten analysiert bzw. beschrieben werden, indem der Zusammenhang einzelner Formulierungen oder auch grammatischer Strukturen (Form) mit den dahinterstehenden Handlungsschemata (Funktion) beleuchtet wird (vgl. Feilke & Rezat, 2020, S. 6). Weil sich ihre Grundidee auf alle schulischen Textformen anwenden lässt, ist die Didaktik der Textprozeduren unserer Erfahrung nach als Erklärungs- und Verständigungsfolie für das Schreiben über die Fachgrenzen hinweg sehr ergiebig. Um den bisher noch sehr abstrakt definierten Begriff der Textprozeduren mit Leben zu füllen, soll er an drei Beispielen aus unterschiedlichen Kontexten verdeutlicht werden:

Feilke veranschaulicht die Idee in seinem Aufsatz „Argumente für eine Didaktik der Textprozeduren“ (Feilke, 2014, S. 11 ff.) unter anderem am sprachlich gelungenen Beginn einer studentischen Seminararbeit und arbeitet für diese Textsorte typische Textprozeduren heraus. Eine davon ist das Voranstellen eines Zitats gefolgt von einem „verbum dicendi“, also einem „Wort“ oder „Verb des Sprechens“. Diese Konstruktion werde in Seminararbeiten häufig benutzt, um „etablierte Wissensbestände“ einzubringen, so Feilke (2014, S. 13). In der Terminologie der Didaktik der Textprozeduren wird die „Redewiedergabe mit Voranstellung des Zitats“ (Feilke, 2014, S. 13) als Ausdruck des Handlungsschemas „Bezug auf etablierte Wissensbestände“ (Feilke, 2014, S. 13) bezeichnet. Ausdruck und Handlungsschema in ihrer „Einheit“ (Feilke, 2014, S. 14) bilden die Textprozedur. Wie das Beispiel zeigt, ist diese natürlich wiederum abhängig von der Textsorte (hier: Seminararbeit) und dem Kontext des Schreibens (hier: Universität).

In Abbildung 1 findet sich ein Beispiel für eine Textprozedur, die für Vergleiche benutzt wird und im Sinne einer „Basisprozedur“ (Feilke & Rezat, 2020, S. 9) in verschiedenen Textformen bzw. -sorten zu finden ist bzw. in unterschiedlichen Kontexten verwendet werden kann.[1]

Abbildung 1: Beispiel für eine Basisprozedur des Vergleichens (nach Steinhoff, 2018, S. 6)

Das Beispiel in Abbildung 1 soll aber nicht zu der Annahme verleiten, die Didaktik der Textprozeduren beschränke sich auf Listen mit sogenannten Formulierungshilfen, wie sie in Lernhilfen und Schulbüchern zu finden sind. Das Beispiel aus der Seminararbeit bei Feilke hat bereits gezeigt, dass auch bestimmte Phänomene der Syntax bzw. der Grammatik und nicht allein des Wortschatzes für eine Textsorte typische Handlungsschemata repräsentieren können. [2] Dies zeigt sich auch im Zusammenhang mit Textformen aus den Fächern der Oberstufe. Ein Beispiel ist die Verwendung konditionaler Satzgefüge mit „wenn ..., dann ...“ als Ausdruck einer Ursache-Wirkung-Relation in der Eingangshypothese (Handlungsschema) von Versuchsprotokollen in den Naturwissenschaften (siehe Abbildung 2). 

 

 

Abbildung 2: Beispiel für eine Textprozedur zur Formulierung einer Hypothese in den Naturwissenschaften

Wie lässt sich die Idee der Textprozeduren nun für den Unterricht fruchtbar machen? Sicher ist es legitim und oftmals auch hilfreich, den Schüler:innen im Schreibprozess die bereits erwähnten Listen mit Formulierungen an die Hand zu geben, die in Textformen wie einer Gedicht- oder einer Sachtextanalyse typischerweise verwendet werden. Doch wie viele Lehrkräfte haben auch wir schon erlebt, dass für den spezifischen Zusammenhang unpassende Formulierungen aus diesen Listen ausgewählt oder schablonenhaft immer wieder dieselben Phrasen gebraucht werden. Das Lernen solcher Listen mit „Prozedurenausdrücken“ ist auch nicht das, was die Vertreter:innen der Didaktik der Textprozeduren intendieren. Ihnen geht es um „das Verstehen der Funktionen und der Handlungen, auf die die Ausdrücke verweisen und aus denen Texte komponiert werden“ (Feilke & Rezat, 2020, S. 6). In diesem Sinne können wir z. B. empfehlen, die Schüler:innen für die sprachlichen Besonderheiten einer Textform zu sensibilisieren, indem Textprozeduren anhand von Mustertexten im Unterricht exemplarisch erarbeitet werden. [3] Textrezeption und -produktion gehen so Hand in Hand. Denn auch wir haben in unserem Unterricht immer wieder selbst erfahren, was Feilke so formuliert: 

„Das sprachliche Material, das den Schülerinnen und Schülern für ihren Ausdruck zur Verfügung steht, müssen sie zuvor rezeptiv in Handlungs- und Gebrauchszusammenhängen kennengelernt haben. Nur wer (...) wissenschaftliche Texte kennt, wird auch solche schreiben können. Textprozeduren können daher auch unterrichtlich nur über eine entsprechend situierte Spracherfahrung angeeignet werden. Dabei ist die Rezeption und eine entsprechende Sprachaufmerksamkeit ein notwendiger, aber alleine keinesfalls hinreichender Gesichtspunkt. Denn das Schreiben kann man nur lernen, indem man selbst schreibt.“ (Feilke, 2014, S. 14)  

Ein Beispiel dafür, wie die Arbeit zu Textprozeduren und mit Mustertexten im Unterricht konkret aussehen kann, findet sich im Material zur Einführung der Textform Musikanalyse von Manuela Köstner. Dieses Material wurde zur Vorbereitung auf eine Klausur im Studienfachkurs Musik am Oberstufen-Kolleg Bielefeld entwickelt, der mit dem Leistungskurs Musik in der gymnasialen Oberstufe in NRW vergleichbar ist. 

Birgit Guschker, Bielefeld im August 2022


[1] Zur Unterscheidung zwischen Basisprozeduren und textsortenspezifischen Prozeduren siehe: Feilke & Rezat, 2020, S. 9.

[2] Zum komplexen Verhältnis von Lexik und Grammatik bei Textprozeduren siehe: Feilke & Rezat, 2020, S. 6.

[3] Zur Frage der Situierung der Arbeit zu Textprozeduren im Unterricht siehe: Feilke & Rezat, 2020, S. 10 ff.


Weiterführende Literatur: 

Feilke, H. & Rezat, S. (2020). Textprozeduren: Werkzeuge für Schreiben und Lesen. Praxis Deutsch 281, 4-13.

Feilke, H. (2014). Argumente für eine Didaktik der Textprozeduren. In T. Bachmann & H. Feilke (Hrsg.), Werkzeuge des Schreibens: Beiträge zu einer Didaktik der Textprozeduren (11-34). Klett.

Steinhoff, T. (2018). Schreibarrangements: Impulse für einen lernförderlichen Schreibunterricht. Der Deutschunterricht 3, 2-10.

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