// Di. 18.09. Anreisetag
// Mi. 19.09. Universität Nowgorod
// Do. 20.09. Universität Nowgorod
// Fr. 21.09. Universität Nowgorod
// Sa. 22.09. Nowgorod und Umgebung
// So. 23.09. Nowgorod und Umgebung
// Mo. 24.09. Universität Nowgorod
// Di. 25.09. St. Petersburg
// Hospitation Deutsch-Unterricht 4. Studienjahr (Thema: "Zeitgefühl")
Frau Egorowa hat uns vorbildlich in ihr Seminar eingebunden. Zunächst sollten die etwa 10 Teilnehmer fünf Aspekte bzgl. des Themas aus einem gelesenen Text nennen. Im Anschluss wurde über diese diskutiert und eigene Wahrnehmungen eingebracht. Wir wurden über unsere persönlichen Empfindungen sowie die deutschen Gegebenheiten interviewt. Ein spannender Aspekt war natürlich die den Deutschen beigemessene Pünktlichkeit. Im Anschluss wurde ein Abschnitt auf einer Kassette angehört und wiederum Meinungen seitens der Studenten geäußert. Es gelang der Professorin sehr gut, eine Diskussion anzuregen und so gut wie alle Teilnehmer des Seminars wurden berücksichtigt. Die Deutschkenntnisse waren auch hier durchwachsen, aber insgesamt gut.
// Workshop "Poetry Slam"
Die 22 Studentinnen des zweiten Studienjahrs zeigten sich sehr am Thema interessiert. Nach einem kurzen Einstieg, der den geschichtlichen Hintergrund, die Gepflogenheiten und die aktuelle Szene in Deutschland beleuchtete, war es Aufgabe der Studentinnen in Kleingruppen einen ca. dreiminütigen Beitrag zu verfassen, der anschließend im Plenum vorgetragen werden sollte.
Es bildeten sich fünf Teilgruppen, deren Ergebnisse sowohl sprachlich als auch inhaltlich breit gefächert waren. Eine Gruppe trug Reime über Deutschland und deutsche Stereotypen vor: "Weißwurst, Käse und Bier/schmecken besser als Kefir" und bewies großes Geschick im Gebrauch der deutschen Rhetorik.
Die zweite Gruppe stellte selbst erstellte Horoskope vor. Eine weitere Gruppe zog mit Reimen über die Charaktere der einzelnen Gruppenmitglieder die Aufmerksamkeit der beiden Kurse auf sich.
Eine Studentin hielt einen sehr tiefgründigen und nachdenklich machenden Vortrag über den Sinn des Lebens an Hand einer erlebten Liebesgeschichte aus ihrem Sommerurlaub. Was, verglichen mit den anderen Beiträgen, einen tiefen Blick in die Intimsphäre der Studentin eröffnete.
Die vierte Gruppe trug sowohl sprachlich als auch schauspielerisch einen gut improvisierten Blick in den 24 Stunden Alltag im Leben eines Studenten. Dieser umfangreiche Vortrag wurde frei mit Hilfe von Stichpunkten gehalten und griff einige russische Eigenheiten des Studentenlebens auf: "Oh ein hübscher Mann, nein doch eine Frau" - "...Kaffee ....woher ?" - "Arbeitspensum ...kein Schlaf sondern Hausaufgaben"
In der von uns moderierten anschließenden Diskussion tauschten die Studentinnen Erfahrungen über die Herangehensweise und den Vortrag solcher Beiträge aus. Es wurden Vergleiche zwischen Deutschland und Russland gezogen, auch auf linguistischer Ebene. Dabei unterschied sich die Qualität der Beiträge im Ausdruck kaum. Es stellte sich heraus, dass es für die russischen Studenten selten einen Anlass für Vorträge im Plenum gibt und das für sie daher eine sehr ungewohnte Situation darstellte und für einige auch eine Herausforderung war. Insgesamt habe sich aber bei Ihnen nach dem ersten Satz ein positives Gefühl eingestellt und die Angst sei verflogen. br> Auch sagten sie, das die deutsche Sprache im Vergleich mit der russischen Sprache "wie Musik" für sie klinge.
Das Arbeitsklima und die Aufmerksamkeit der Studenten war während des gesamten Workshops optimal. Das Interesse und die Mitarbeit an den Beiträgen lief in den Kleingruppen gut und selbst organisiert ab. Auch die Reihenfolge der Vorträge wurde ohne Aufforderung von Ihnen selbst erstellt.
// Workshop "Pressestimmen"
"Analyse der deutschen Pressestimmen am Beispiel der Krippenplatzdiskussion"
Ziel des Workshops war zum einen, dass die russischen Studierenden einen Überblick über die auflagenstarken überregionalen Tages- und eingeschränkt auch Wochenzeitungen Deutschlands erhalten. Eingesetzt wurden bspw. Artikel aus der Süddeutschen Zeitung, der tageszeitung oder dem Spiegel. Hintergrund dessen war die Annahme, dass die Studierenden in Nowgorod vergleichsweise wenig mit aktuellen Zeitungsartikeln in den Sprach- und Landeskunde-Seminaren arbeiten. Zum anderen sollte im Seminar ein aktuelles deutsches landeskundliches Thema aus der Tagespresse behandelt werden, so dass die Teilnehmer einen Eindruck davon bekamen, wie die Deutschen dieses bewerten und einschätzen. Nach einem gemeinsamen Einstieg sollte Gruppenarbeit durchgeführt werden, um die Teilnehmer möglichst stark einzubinden. Es sollte ein Thema gewählt werden, dass verschiedene Herangehensweisen ermöglichte und unterschiedliche thematische Aspekte für die einzelnen Gruppen hergab. Zudem sollte es nicht politisch heikel sein und Studierenden, die sich nicht sonderlich für politische Entwicklungen und Diskussionen interessieren, die Möglichkeit bieten, sich ebenfalls zu beteiligen. Da ferner angenommen wurde, dass die überwiegende Zahl der Deutschlernenden Frauen sein würden, wählten wir das Thema "Krippenplatzausbau".
Am Workshop nahmen zwei Kurse à 10 Teilnehmer aus dem vierten Studienjahr teil. Zusätzlich schauten zeitweise weitere interessierte Studierende aus dem dritten Lehrjahr zu. Der Workshop dauerte ca. vier Unterrichtseinheiten, die durch eine lange Mittagspause unterbrochen waren.
Für den Einstieg wählten wir ein Interview mit Eva Hermann, das in der Bild erschienen war und den provokativen Titel "Frauen sollten öfter mal den Mund halten" trug. Einige Studierende äußerten sich spontan, wie sie die Rollenverhältnisse persönlich einschätzen.
In der anschließenden Gruppenarbeitsphase bearbeiteten die Studierenden Artikel, die sich mit der demographischen Entwicklung in Deutschland, der gesellschaftlichen Kontroverse bezüglich der Geschlechterverhältnisse und dem exemplarisch ausgewählten Thema Krippenplatzausbau beschäftigten. Die Teilnehmer wurden gebeten, die relevanten Aspekte in der Gruppe anhand von Leitfragen herauszuarbeiten. Bei diesem Arbeitsschritt wurde bereits deutlich, dass sich das Sprachniveau der Teilnehmer stark unterschied. Dies führte dazu, dass sie unterschiedlich an die Texte herangingen, einige deutlich früher fertig waren und weitaus weniger Fragen hatten. Andere Teilnehmer waren weitaus weniger mit Pressetexten und dem Vokabular vertraut. Leider optimierten die Studierenden ihr Arbeitsaufkommen, indem sie die einzelnen Fragen unter sich aufteilten, so dass in einigen Gruppen nur wenig Diskussionen aufkamen.
Anschließend präsentierten die Gruppen ihre Ergebnisse im Plenum. Auch hier wurden die großen sprachlichen Unterschiede deutlich. Einige hatten keinen Akzent und konnten flüssig und nahezu fehlerfrei vortragen, andere gebrauchten noch ihren Stichwortzettel und waren weniger geübt. Durch die unterschiedlichen Texte wurden in den Vorträgen für die jeweils anderen Studierenden neue thematische Aspekte ergänzt, die sich im Laufe des Workshops ergänzten und sich so zu einem Ganzen zusammenfügten.
Abschließend wurden die Kindererziehung und die Geschlechterverhältnisse in den beiden Ländern Russland und Deutschland verglichen. Die russischen Studierenden konnten die Aufschreie angesichts der Äußerungen von Eva Hermann nur bedingt nachvollziehen, da sie selber nach eigener Einschätzung nicht dieselben Schwierigkeiten im Land haben. Sie schließen ihr Studium früher ab und können bei der Kinderbetreuung häufig auf die Hilfe der Großeltern zurückgreifen. Darüber hinaus schätzen sie es so ein, dass die russischen Frauen über eine andere Weiblichkeit verfügen. An der Diskussion beteiligten sich nahezu ausschließlich die Teilnehmer mit sehr guten Deutschkenntnissen, zu denen auch die beiden Männer gehörten.
Dies führte bei uns zu Überlegungen, ob das Thema für den Adressatenkreis geschickt ausgewählt worden war. Ist das Thema für russische Studierende vielleicht doch nicht so geeignet, zumal wohl in dem Land auch die Frauenbewegung gegen verschlossene Türen rennen? Uns verdeutlichte dies, dass es nicht einfach ist ein Thema auszuwählen, dass eine gesellschaftspolitische Kontroverse widerspiegelt, den Interessen der Teilnehmer entgegen kommt und nicht politisch heikel ist.