Alle hier aufgeführten Hinweise sind Vorschläge und sollen als Anregungen verstanden werden, die Perspektive von Opfern zu berücksichtigen. Sie wurden von der Forschungsabteilung der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des EvKB basierend auf Ergebnissen der Befragung von Patient*innen zu ihren Erfahrungen mit Gewalt und im Polizeikontakt. Natürlich sind nicht alle Vorschläge in jeder Situation und bei jedem Menschen umsetzbar. Letztendlich entscheiden Sie in jedem Einzelfall und müssen stets zwischen verschiedenen Interessen abwägen, was nicht immer leicht ist. Auch Sie selbst befinden sich in Einsätzen in besonderen Stresssituationen.
Sprich: die optimale Situation gibt es im Alltag oft nicht und Sie werden meistens nicht allen Seiten gleichzeitig gerecht werden können. Trotzdem können alle Versuche, gut auf das Opfer einzugehen und Opferinteressen im Blick zu behalten, wichtig sein und werden von Betroffenen wertgeschätzt. Angemessene Reaktionen von außen tragen außerdem dazu bei, dass Betroffene das Erlebte besser verarbeiten können.
Den Umständen entsprechend eine möglichst ruhige Gesprächsatmosphäre schaffen (z. B. Lautstärke und Nebengeräusche möglichst gering halten, ggf. den Raum wechseln).
Möglichst ein Gefühl von Kontrolle für Betroffene herstellen. Das Erleben von Gewalt geht oft mit starker Hilflosigkeit und dem Gefühl von Kontrollverlust einher. Selbstverständlich geht die Sicherung einer Akutsituation immer vor. Sobald keine akute Gefahr mehr besteht, kann es jedoch wichtig sein, Betroffene zu fragen, was sie brauchen, damit nicht weiterhin das Gefühl entsteht „es wird nur etwas mit mir gemacht, worauf ich keinen Einfluss habe“. Schon kleine Gesten und Nachfragen können dazu beitragen. Zum Beispiel: „Ist es in Ordnung, wenn ich Sie jetzt zu … frage?“
Transparenz: erklären, was gemacht und gefragt wird und warum. Dies gilt insbesondere bei Fragen zu intimen Details. Es ist für die meisten Menschen eine große Überwindung, überhaupt mit der Polizei über Gewalterlebnisse zu sprechen. Oft sind große Erwartungen damit verbunden. Manche Betroffene sind aber vielleicht misstrauisch gegenüber der Polizei oder haben negative Erfahrungen mit Behörden gemacht. Betroffene wissen auch häufig nicht, wie eine Befragung bei der Polizei abläuft, was die genaue Aufgabe der Polizei ist, welche Fragen gestellt werden (müssen) oder was im Falle einer Anzeige passiert. Einige Fragen, die Sie als Polizist*innen stellen müssen, können für Betroffene verunsichernd sein und Ängste auslösen oder verstärken, z. B. Fragen zum genauen Tathergang und zum eigenen Verhalten. Schnell entsteht das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden oder für nicht glaubhaft oder schuldig gehalten zu werden, auch wenn das nicht Ihre Absicht war. Natürlich müssen die Fragen dann trotzdem gestellt werden, wenn Sie sie für wichtig erachten. Es wird aber oft als sehr hilfreich erlebt, wenn Polizist*innen kurz erklären, was ihre Rolle ist, was sie tun, was als nächstes passieren wird oder mit welchem Hintergrund Fragen gestellt werden.
Zum Beispiel: „Ich werde jetzt noch einige Nachfragen zu dem stellen, was Sie mir gerade erzählt haben. Ich kann mir vorstellen, dass einige Fragen für Sie belastend sein können. Aber das ist meine Pflicht als Polizistin, weil ich die Aufgabe habe, mir ein genaues Bild von der Situation zu machen und diese möglichst neutral einzuschätzen. Ist das in Ordnung?“ Falls das in akuten Bedrohungssituationen nicht möglich ist, ist auch eine kurze Erklärung im Nachhinein hilfreich.
Darauf achten, nicht indirekt Schuldzuweisungen zu machen. Zum Beispiel können Aussagen wie „Sie hätten sich doch schon längst trennen können“ bei häuslicher Gewalt für Betroffene sehr belastend sein, obwohl sie nicht böse gemeint sein müssen. Betroffene können die Aussage jedoch als indirekten Vorwurf verstehen, selbst die Gewalt verursacht zu haben. Das kann möglicherweise bereits vorhandene Selbstvorwürfe verstärken.
Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass alles verstanden und erinnert wird, was gesagt wurde. In einer Ausnahmesituation arbeitet das Gedächtnis schlechter bzw. hat einen anderen Fokus. Wenn man sehr aufgeregt ist, bekommt man oft wichtige Details oder Formalitäten nicht mit. Hier ist es hilfreich, geduldig zu bleiben, nochmal zu erklären und Informationen ggf. schriftlich mitzugeben.
Vermitteln, dass man wahrnimmt, dass Betroffene belastet sind und passende Hilfsangebote vermitteln. Deutlich machen, dass Sie als Polizist*in einen bestimmten Schwerpunkt haben und für psychosoziale Unterstützung weiter verweisen. „Ich merke, dass es Sie sehr belastet, hier zu sein und mir von ihren Erlebnissen zu erzählen. Es gibt in der Stadt verschiedene Angebote, bei denen man in Ihrer Situation Unterstützung bekommt. Scheuen Sie sich nicht, sich dort zu melden, auch wenn Sie erst einmal unsicher sein sollten, ob Sie dort richtig sind.“ Aushändigen von Flyern oder anderem Informationsmaterial.
Im Allgemeinen:
Möglichst mit lokalen Hilfsangeboten, Beratungsstellen, Psychiatrischen Einrichtungen, dem Krisendienst vernetzen.