„Der Begriff Trauma (griech.: Wunde) lässt sich bildhaft als eine "seelische Verletzung" verstehen, zu der es bei einer Überforderung der psychischen Schutzmechanismen durch ein traumatisierendes Erlebnis kommen kann. Als traumatisierend werden im Allgemeinen Ereignisse wie schwere Unfälle, Erkrankungen und Naturkatastrophen, aber auch Erfahrungen erheblicher psychischer, körperlicher und sexueller Gewalt sowie schwere Verlust- und Vernachlässigungserfahrungen bezeichnet.“
- Deutschsprachige Gesellschaft für Psychotraumatologie -
Das Erleben von Gewalt ist für die meisten Menschen ein außerordentlich belastendes Ereignis, man befindet sich in realer Gefahr. Während man sich in der Situation befindet, ist der Körper unter großem Stress und auf Überleben ausgerichtet. Das kann mit verschiedenen körperlichen Reaktionen einhergehen, zum Beispiel Schwitzen, Herzrasen, Zittern, Übelkeit. Einige Menschen erleben das Geschehen auch wie in einem Film, als unwirklich und sind wie erstarrt. Es können auch verschiedene weitere Gefühle wie Hilflosigkeit, Wut, Traurigkeit und Entsetzen im Wechsel auftreten. Diese akuten Reaktionen sind von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Noch in der Situation und kurz danach können Menschen manchmal teilnahmslos oder wie betäubt wirken, sich zurückziehen wollen oder verwirrt erscheinen. Dieser Zustand geht normalerweise nach einigen Stunden oder Tagen vorüber.
Die Reaktionen im Nachhinein eines traumatischen Ereignisses können ebenfalls sehr unterschiedlich sein und in unterschiedlicher Intensität auftreten. Zunächst einmal sind alle Gefühle, Gedanken und körperlichen Reaktionen, die man nach einem psychischen Trauma empfindet, eine natürliche und menschliche Reaktion auf extreme Belastung. Ein Versuch von Körper und Seele, das Erlebte zu bewältigen.
In der ersten Zeit kann eine körperliche Erregung auftreten, zum Beispiel verbunden mit Anspannung, Nervosität, Zittern, Schlafstörungen und Albträumen. Viele Menschen sind in der Zeit nach dem Erlebten besonders schreckhaft oder wachsam oder haben das Gefühl, weiterhin in Gefahr zu sein. Außerdem kann es vorkommen, dass einzelne Aspekte des Erlebten unkontrolliert „wiedererlebt“ werden, zum Beispiel bestimmte Bilder, Geräusche oder körperliche Empfindungen. Dieses Wiedererleben ist manchmal so real, dass es sich wie „hier und jetzt“ anfühlt - nicht wie etwas Vergangenes. Es wird angenommen, dass das Wiedererleben ein Zeichen davon ist, dass das Erlebte noch nicht geordnet im Gedächtnis gespeichert und verarbeitet wurde. Das kann auch dazu führen, dass das Erlebte oder bestimmte Aspekte gar nicht sofort erinnert werden können. Auch Konzentrationsschwierigkeiten im Alltag können auftreten, weil das Gehirn versucht, mit dem traumatischen Ereignis fertig zu werden und dazu Kapazitäten benötigt.
Symptome, die in den ersten Tagen und Wochen auftreten können, sind also:
Bei den meisten Menschen, die ein Trauma erleben, lassen die beschriebenen Symptome nach einer gewissen Zeit von alleine nach und es ist keine Therapie oder Behandlung notwendig. Vielen Betroffenen hilft es aber zu erfahren, wie der Körper nach traumatischen Ereignissen reagiert und dass viele Reaktionen erst einmal normal sind. Solche Informationen bekommen sie zum Beispiel bei lokalen Traumaambulanzen von psychiatrischen Kliniken oder bei Beratungsstellen. Es ist wichtig, Opfer auf diese Möglichkeiten hinzuweisen, weil diese oft wenig bekannt sind. Insgesamt hilft soziale Unterstützung, auch durch Angehörige oder Freude, das Erlebte zu verarbeiten.
Bei einigen Betroffenen verschwinden die oben genannten Beschwerden, zum Beispiel Albträume und körperliche Erregung, nicht von alleine und sie beginnen vielleicht ihren Alltag aus Angst sehr einzuschränken. Wenn solche Reaktionen länger in belastendem Ausmaß anhalten (ca. 4 Wochen), kann eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll sein.
Für Menschen, die vorher keine psychischen Erkrankungen hatten, ist die Bewältigung eines traumatischen Erlebnisses schwierig, es gibt aber meistens genügend Ressourcen und Faktoren, die eine gesunde Bewältigung fördern. Menschen, die vor dem Erleben einer Gewalttat psychisch beeinträchtigt waren, sind besonders vulnerabel für negative Folgen. Die Bewältigung eines Traumas kann durch eine akute psychische Erkrankung erschwert oder verhindert werden, weil alle „Kräfte“ bereits gebündelt sind. Man kann sich zum Beispiel vorstellen, dass bei einer akuten psychischen Erkrankung sowieso bereits das innere „Fass“ übergelaufen ist und nicht ausreichend Widerstandskraft und Bewältigungsstrategien vorhanden sind. Kommt dann noch mehr Stress dazu, kann dieser noch schwerer bewältigt werden oder es kann passieren, dass sich die bereits vorhandenen Symptome noch verschlimmern.
Auch, wenn die Erkrankung nicht mehr akut ist und vielleicht mithilfe einer Behandlung bereits gute Erfolge erzielt werden konnten, kann sich eine traumatische Erfahrung negativ auswirken. Durch den erlebten Hochstress können auch eigentlich bereits gut bewältigte Beschwerden oder Verhaltensweisen wiederkommen, zum Beispiel kann eine erneute depressive Episode ausgelöst werden, auch wenn längere Zeit vor der Gewalterfahrung keine depressiven Symptome mehr aufgetreten waren. Es kann also dazu kommen, dass Betroffene durch traumatische Erlebnisse bestimmte Verhaltens- oder Denkmuster entwickeln, die eine gesunde Verarbeitung des Erlebten verhindern können. Das können zum Beispiel alte Scham- und Schuldgefühle sein, die wieder neu aktiviert werden. Außerdem erhöht sich die Wahrscheinlichkeit nach einer Gewalterfahrung, dass Alkohol oder Drogen konsumiert werden, was zu Rückfällen bei Menschen mit Suchterkrankung führen kann, die vorher längere Zeit abstinent waren. Es ist daher besonders wichtig, Betroffenen frühzeitig Unterstützung anzubieten, insbesondere, wenn sie aktuell nicht in ein Hilfesystem integriert sind.
Man weiß, dass sich Angst auf den ganzen Körper auswirkt und dazu führen kann, dass man sich bestimmte Details (z. B. Kleidung, Gesichtszüge) weniger gut merkt als sonst. Denn der Körper fokussiert sich auf die Dinge, die akut für die Gefahr relevant sind, dies könnte zum Beispiel eine Waffe sein. Das ist ganz normal und eine wichtige Funktion des Körpers, um sich zu schützen. Das bedeutet, dass sich Opfer möglicherweise an bestimmte Details des Vorfalls nicht erinnern können, auch wenn diese vielleicht in einer „normalen“ Alltagssituation wahrgenommen werden würden. Der Körper befindet sich beim Erleben von Gewalt und Gefahr in einem Ausnahmezustand.
Beim Erinnern an das Erlebte und beim Berichten darüber können viele verschiedene Gefühle aufkommen. Das ist ganz normal, kann aber dazu führen, dass Personen nicht stringent über das Erlebte berichten können, Pausen benötigen oder sich durch bestimmte Fragen zu Details überfordert fühlen. Wenn Betroffene zum Beispiel sehr wenig von sich aus erzählen, kann das auch daran liegen, dass die Erinnerung sehr schmerzhaft ist und eigentlich lieber vermieden werden würde. Auch Schuld- und Schamgefühle können das Erzählen erschweren. Eine einfühlsame Befragung kann entscheidend dafür sein, dass Sie als Polizist*in die Informationen bekommen, die Sie benötigen. Das kann besonders relevant sein bei Personen, die im Vorfeld bereits psychisch erkrankt waren. Denn eine Gewalterfahrung kann dazu führen, dass im Vorfeld bestehende Symptome sich verschlechtern oder nach erfolgreicher Behandlung wieder zurückkehren. Hier ist es empfehlenswert, auf professionelle psychosoziale Hilfsangebote zu verweisen.