Wissens- und Technologietransfer insbesondere aus einer Universität heraus („Dritte Mission von Universitäten“ beispielsweise in Form von akademischen Patenten und Spin-offs) und damit einhergehende Implikationen für die Wissenschaftsökonomie
Gründungsmanagement und Geschäftsmodellinnovationen im Kontext Industrie 4.0 und stärkere Digitalisierung im Hochschulbetrieb, gegebenenfalls im Sinne von Universität 4.0 oder als „vierte Mission“ von Universitäten im Hinblick auf Forschung 4.0 und Lehre 4.0
Der technologische Fortschritt einer Gesellschaft respektive von Gesellschaften oder auch ganzen Volkswirtschaften wird durch die Grundlagen- und die anwendungsorientierte Forschung getragen. Erstere passiert dabei vermehrt an Universitäten und hochschulnahen Einrichtungen, während die angewandte Forschung zumeist von Unternehmen durchgeführt wird.
Die (teilweise gewünschte und auch geforderte) Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte zeigt jedoch eine stärkere Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft, was für „beide Welten“ neue Aufgaben und Herausforderungen mit sich bringt.
Für Universitäten respektive die dort tätigen Wissenschaftler gab es bislang im Wesentlichen die beiden großen Aufgabenbereiche „Forschung“ und „Lehre“, die häufig auch als die beiden Missionen beschrieben werden. Durch die Motivation des Wissens- und Technologietransfers (beispielsweise auch durch politische Vorgaben: Bayh-Dole Act 1980 für die USA oder Abschaffung des Hochschullehrerprivilegs 2002 in Deutschland und Österreich) kommt nun eine dritte Mission hinzu. Universitäten beschäftigen sich daher vermehrt mit der Fragestellung, wie sie zum Wissens- und Technologietransfer beitragen können, weil es hierbei schlussendlich nicht nur um das „wie“, sondern viel mehr um das „ob“ und die Vereinbarkeit von wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Normen geht.
Das „wie“ lässt sich vergleichsweise leicht beantworten und ist immer abhängig von der fachlichen Ausrichtung einer Universität. Technisch orientierte Hochschulen können beispielsweise direkt am Technologietransfer in Form von (akademischen) Patenten, Kooperationsprojekten mit der Industrie oder Spin-offs partizipieren, während die nicht-technischen Disziplinen zum Wissenstransfer in Form von (ebenfalls) Kooperationsprojekten mit der Industrie oder auch durch praktische studentische Abschlussarbeiten beitragen können; um hier nur einige Beispiele zu nennen.
Die Frage nach dem „ob“ lässt sich deutlich schwerer beatworten, weil hier zunächst die grundsätzlichen Normen der Wissenschaft bezüglich ihrer Vereinbarkeit im Wissens- und Technologietransfer hinterfragt werden müssen. Typischerweise basiert die Wissensgenerierung in Universitäten auf dem Universalismus, dem Kommunismus, der Uneigennützigkeit sowie dem organisierten Skeptizismus. Das Wissen ist folglich für jeden zugänglich und darf beliebig zur Erweiterung und Verbesserung (auch durch Dritte) herangezogen werden. Dieser Sachverhalt lässt sich auf die Wirtschaft nicht übertragen, da hier das Wissen typischerweise geheim gehalten oder durch gewerbliche Schutzrechte für Dritte lediglich durch Zahlung einer Lizenzgebühr zugänglich gemacht wird. Die Universität respektive der Wissenschaftler sieht sich nun folglich vor der Herausforderung, die Normen beider Welten in Einklang zu bringen, um tatsächlich am Wissens- und Technologietransfer teilnehmen zu können.
Diese Fragestellung ist zunächst auf der individuellen Ebene der einzelnen Wissenschaftler zu betrachten. Aspekte, wie beispielsweise der persönliche Charakter und die individuelle Einstellung zum Thema Wissens- und Technologietransfer, aber auch der Forschungsschwerpunkt und diesen betreffende Interessen, müssen berücksichtigt werden, um für den Wissens- und Technologietransfer zu sensibilisieren und zu motivieren. Daraus resultiert unmittelbar die Betrachtung auf der Makroebene der Universität, die Maßnahmen zur Motivation und Sensibilisierung der einzelnen Wissenschaftler zunächst entwickelt und anschließend setzen kann (und auch muss, wenn denn ein aktiver Wissens- und Technologietransfer durchgeführt werden soll).
Dieser Wissens- und Technologietransfer kann nun in unterschiedlicher Weise, wie beispielsweise durch akademische Patente oder durch die Ausgründung aus Hochschulen in Form von Spin-offs, durchgeführt werden. Eine (teilweise geforderte) Möglichkeit ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen in Forschungskooperationen respektive -projekten, die häufig (auch) durch Drittmittel gefördert werden. Im Zuge der Entwicklungen unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“, hinter dem sich Begriffe, wie beispielsweise intelligente (technische) Systeme, Vernetzung im Sinne von Internet der Dinge oder auch Digitalisierung, verbergen, werden neue Herausforderungen an Kooperationsprojekten zwischen Wissenschaft und Wirtschaft gestellt. Auf der einen Seite birgt die technische Umsetzung eine Vielzahl an Möglichkeiten für Kooperationen insbesondere mit technischen wissen-schaftlichen Disziplinen, auf der anderen Seite erfordert dieser technologische Fortschritt eine Anpassung der Geschäftsmodelle der Unternehmen, bei denen wiederum die nicht-technischen wissenschaftlichen Fachbereiche unterstützen können. Fragestellungen wie beispielsweise welche technische Entwicklung geht mit welcher Modifikation im Geschäftsmodell einher und welche ökonomischen Implikationen können daraus folgen, können hier spannend sein, ebenso, wie in diesem Kontext stattfindende Unternehmensgründungen. Im übertragenden Sinn von „Universität 4.0“ oder als „vierte Mission“ von Universitäten sind Fragestellungen relevant in Bezug auf die Anpassungsnotwendigkeit von Lehrtätigkeiten im Zuge der Digitalisierung („Lehre 4.0“). Zum einen stellt sich die Frage, wie die Lehre ausgestaltet werden sollte, um die Studierenden auf den wirtschaftlichen Arbeitsmarkt vorzubereiten und zum anderen sollte betrachtet werden, welche Auswirkungen diese Modifikationen in der Lehre auf den Wissenschaftsbetrieb („Forschung 4.0“) und damit auch wieder auf den einzelnen Wissenschaftler haben können
Alle diese Forschungsbereiche können (und sollten) auch in Bezug auf Heterogenitäten in beispielsweise Bildung, Migration und Gender betrachtet werden, um herauszuarbeiten, ob, und wenn ja, zu welchen Ungleichheiten kulturelle Vorlieben, Lebensstile, Einstellungen und Eigenschaften führen können. Hierbei sollen insbesondere Fragestellungen berücksichtigt und analysiert werden, die sich mit Genderaspekten im Gründungsprozess beschäftigen und Aufschluss darüber geben, ob und inwieweit unterschiedliche Herangehensweisen von Frauen und Männern im gesamten Gründungsprozess (von Ideenfindung bis hin zur finanziellen und organisatorischen Umsetzung) Einfluss auf eben diesen haben. Hierzu ist es notwendig stärker hinter die Fassade der vordergründig durch „Gender“ beschriebenen Unterschiede zu schauen. Brancheneffekte, die beispielsweise wirken können, weil in typischen Frauenberufen eher wenig gegründet wird, sollten ebenso betrachtet werden, wie beispielsweise personen- und sozialbezogene Unterschiede, die sich in der Risikoeinstellung, aber auch im jeweiligen Lebensabschnitt der Gründerin oder des Gründers zeigen können. Darüber hinaus können sozioökonomische Effekte, wie etwa die Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften durch die Gesellschaft und die dadurch entstehende Denkweise in Stereotypen „Mann“ und „Frau“ dazu führen, dass Frauen keine Unternehmensgründung anstreben.