Ausgangspunkt des Verbundprojekts der Universitäten Bielefeld, Gießen und Hamburg bildeten die Befunde internationaler und nationaler Leistungsvergleichsstudien (z.B. TIMSS, PISA, IGLU, IGLU-E, LAU, QuaSUM), die zeigen, dass Schulfächer hinsichtlich der Kompetenz- und Interessensentwicklung, der Motivation, des Selbstvertrauens, der fachbezogenen Selbstkonzepte und letztlich auch der Leistungen offensichtlich nach wie vor in so genannte „weibliche“ Domänen (z.B. Sprachen) und so genannte „männliche“ Domänen (z.B. Mathematik, Physik) aufgeteilt sind. Geschlechterbezogene Unterschiede in den Fachpräferenzen werden bereits am Ende der Grundschulzeit sichtbar, verstärken sich im Laufe der Schulzeit, manifestieren sich in der Wahl der Leistungskurse und setzen sich bei der späteren Studienfach-, Studiengangs- und Berufswahl fort. Um diesen Prozess aufbrechen zu können, ist eine Sensibilisierung hinsichtlich des Beitrags von Schule und Unterricht zur Inszenierung und Reproduktion fächerbezogener geschlechterstereotyper Trennlinien im Rahmen der Lehramtsausbildung notwendig, die an den Einstellungen, Zuschreibungen und Verhaltenserwartungen künftiger LehrerInnen als „unbewusstem“ Teil des „heimlichen Lehrplans“ der Geschlechterziehung ansetzt. In der Regel fehlen jedoch – insbesondere in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern – Angebote für Lehramtsstudierende, sich innerhalb ihres Studiengangs mit der Genderperspektive zu beschäftigen.
Ausgehend von diesem Defizit in der Lehramtsausbildung wurde im Rahmen des Verbundprojekts ein Modulelement zur Vermittlung von Genderkompetenz im Lehramtsstudium der Mathematik konzipiert, modellhaft an acht Hochschulen erprobt und evaluiert. Auf der Basis der Evaluation der modellhaften Lehre wurde abschließend eine Lehreinheit für die erste Phase der Lehramtsausbildung entwickelt, die konzeptionelle Grundlagen und konkrete, praxisbezogene Vorschläge für die Vermittlung von Genderkompetenz für angehende Mathematiklehrkräfte enthält und die perspektivisch auch in der zweiten Phase der Lehramtsausbildung sowie in der LehrerInnenfortbildung genutzt oder in modifizierter und disziplinär angepasster Form auch auf andere Lehramtsstudiengänge des MINT-Bereichs übertragen werden kann.
Das interdisziplinäre Forschungsprojekt wurde im BMBF-Rahmenprogramm zur Förderung der empirischen Bildungsforschung aus insgesamt 172 eingereichten Projektskizzen der BMBF-Ausschreibung „Zukunftswerkstatt Hochschullehre – ZWHL“ zur Förderung ausgewählt.
Laufzeit: 10.2008 – 12.2010
Finanzierung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Beteiligte WissenschaftlerInnen: Dr. Anina Mischau (IFF, Universität Bielefeld); Prof. Dr. Andrea Blunck (Universität Hamburg); Dr. Sabine Mehlmann (Justus-Liebig-Universität Gießen)
Veröffentlichungen: Mischau, Anina; Langfeldt, Bettina & Mehlmann, Sabine (2009): Genderkompetenz als innovatives Element der Professionalisierung der LehrerInnenausbildung für das Fach Mathematik. In: Journal Netzwerk Frauenforschung NRW, Nr. 25, S. 50-53; Mischau, Anina; Langfeldt, Bettina; Mehlmann, Sabine; Wöllmann, Torsten & Blunck, Andrea (2010): Auf dem Weg zu genderkompetenten LehrerInnen im Unterrichtsfach Mathematik. In: Journal Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW, Nr. 27, S. 29-39; Mischau, Anina & Mehlmann, Sabine (2011): Genderkompetenz für angehende Mathematiklehrkräfte. Konzeption einer Lehrveranstaltung für Lehramtsstudierende des Unterrichtsfachs Mathematik. In: Zeitschrift Soziale Technik, 3/2011, S. 17-19; Langfeldt, Bettina & Mischau, Anina (2011): Genderkompetenz als Bestandteil der Lehramtsausbildung im Fach Mathematik – zu innovativ für deutsche Hochschulen? In: Zeitschrift für Hochschulentwicklung Jg. 6, Heft 3, S. 311-324; Mischau, Anina (2012): Genderkompetenz in der Lehramtsausbildung Mathematik: Möglichkeiten der Integration und Vermittlung. In: Wissenschaftlerinnen-Rundbrief, Nr. 1/2012, S. 19-22; Langfeldt, Bettina & Mischau, Anina: Make Engineering and Technology More Appealing to Women via Gender Competence as an Innovative Element of Teacher-Training in Mathematics. In: Béraud, André et al. (Eds.): Gender and Interdisciplinary Education for Engineers 2011. Proceedings of the GIEE HELENA Conference, Paris June 23.-24.06.2011, S. 327-340. Rotterdam: Sense Publishers; Langfeldt, Bettina; Mehlmann, Sabine & Mischau, Anina (2012): Genderkompetenz – (k)ein Thema in der universitären Lehramtsausbildung im Fach Mathematik? In: Klein, Uta & Heitzmann, Daniela (Hrsg.): Diversity konkret gemacht. Wege zur Gestaltung von Vielfalt an Hochschulen, S. 13-29. Weinheim: Juventa; Langfeldt, Bettina; Mischau, Anina, & Grabarz, Karin (2013): Teach the Teachers: Gender Competence as an Innovative Element of Teacher-Training in Mathematics. In: Sagebiel, Felicitas & Dahmen, Jennifer (Eds.): The Gender Perspective of Young People´s Images of Science, Engineering and Technology (SET), S. 145-158. Farmington Hills, MI: Barbara Budrich Publishers