Das wissenschaftliche Alleinstellungsmerkmal des GRK ist die Idee, Geschlecht theoretisch als Erfahrung zu konzeptualisieren und auf diese Weise eine verkörperte Geschlechterforschung in und quer zu den Disziplinen zu stärken. Wissenschaftler*innen aus Soziologie, Politikwissenschaft, Literaturwissenschaft, Erziehungswissenschaft, Sportwissenschaft, Gesundheitswissenschaft und Medizin nehmen in den Blick, dass Menschen körperlich verfasste lebendige Wesen sind, die ihr Vergeschlechtlichtsein existentiell erfahren.
Die zentralen Forschungsthemen des GRK sind die Konstitution geschlechtlicher Existenzweisen und die Transformationen der Geschlechterordnung. In der ersten Phase des GRK hat sich der Blick aber immer stärker auf den Raum dazwischen verschoben und ein neues Leitthema herausgebildet: die Artikulation von geschlechtlichen und vergeschlechtlichenden Erfahrungen. Verschiedene Formen der Artikulation erwiesen sich in den Projekten der ersten Förderperiode als Dreh- und Angelpunkt, an dem Individuelles zum Gegenstand von Diskursen wird und somit für andere wahrnehmbar, geteilt und daraufhin auch transformativ wirksam werden kann.
Zentrale Forschungsfragen sind: Welche Bedeutungen von Geschlecht und Begehren werden in (sprachlichen, künstlerischen, motorischen, emotionalen und somatischen) Artikulationen hervorgebracht? Was kann unter welchen Bedingungen artikuliert werde und was nicht? Wie gestalten sich Artikulationen in verschiedenen Feldern des Sozialen und Ästhetischen? Wie reproduziert oder verändert sich in Artikulationen die Geschlechter- und Gesellschaftsordnung? Mit dem Fokus auf Artikulation greift das GRK in die zentrale Debatte der Gender Studies über das Verhältnis von Sprache und Körper ein. Jenseits der Entgegensetzung dieser Entitäten wird mit der Untersuchung von leibsprachlichen Erfahrungen eine grundlegend neue, sowohl theoretische als auch empirische (Zukunfts-)Perspektive für das Verständnis und die Analyse von Geschlecht und Geschlechterverhältnissen eröffnet.