Was ist Geschichte? Gibt es objektives Wissen über die Vergangenheit? Ist dieses Wissen notwendig? Wie soll Geschichtsunterricht aussehen? Geschichtsdidaktik beschäftigt sich mit diesen zentralen Fragen, um Grundlagen für ein Geschichtsbewusstsein zu legen und Ziele des historischen Lernens zu entwickeln. Wir widmen uns dieser Aufgabe in Lehre und Forschung auf vier Ebenen: Auf der theoretischen Ebene geht es vor allem um die Unterscheidung von Vergangenheit und Geschichte. Beides ist nicht identisch, denn Geschichte ist das, was im Rückblick von heute aus über die Vergangenheit gesagt wird. Auf der normativen Ebene werden die Vorgaben diskutiert, die in den staatlichen Lehrplänen und Richtlinien für den Geschichtsunterricht formuliert werden. Auf der pragmatischen Ebene steht der Unterricht selbst im Mittelpunkt, der im Idealfall den theoretischen und normativen Anforderungen entspricht, die Kompetenzen historischen Denkens nachhaltig fördert und gleichzeitig spannend ist. Dabei gilt es, Freiräume zu öffnen, so dass die Schüler*innen eigene Interessen einbringen und forschend-entdeckend lernen können. Auf der empirischen Ebene wird schließlich überprüft, ob die auf den anderen Ebenen getroffenen Entscheidungen in der Unterrichtspraxis und in der Geschichtskultur im Allgemeinen greifen, zum Beispiel welche Lernfortschritte Schüler*innen jeweils in offenen oder lehrer*innenzentrierten Lernsituationen machen.
Von Bielefeld aus erhielt die Geschichtsdidaktik entscheidende Impulse: Jörn Rüsen, Joachim Rohlfes, Joachim Radkau und andere erhoben von hier aus ihre Stimme. Es zeichnet die Bielefelder Geschichtsdidaktik auch heute noch aus, dass wir geschichtsdidaktische Fragen stark theoriegeleitet reflektieren. Nicht nur durch unsere Beteiligung am Profilbereich Geschichtskulturen sind wir integraler Bestandteil der Bielefelder Geschichtswissenschaft. Außerdem kennzeichnet uns ein besonderes Engagement für die pragmatischen Fragen historischen Lernens und Lehrens. Dabei leitet uns ein Bewusstsein, dass dies am besten in offenen und subjektorientierten Konstellationen gelingen kann. Und so wichtig, wie wir die Bedeutung von Schüler*innen in diesen Lernprozessen nehmen, so wichtig sind uns die Studierenden der Universität.
Das geschichtsdidaktische Lernen und Lehren im Bachelorstudium der Lehramtsstudiengänge für die Sekundarstufen I und II umfasst ein Theorie- und ein Praxisseminar sowie die Berufsfeldorientierende Praxisstudie. Die Veranstaltungen decken, jede für sich, wenn auch in einer unterschiedlichen Gewichtung, alle der vier genannten Ebenen ab. Während das Theorieseminar sich den zentralen Fragen der Geschichtsdidaktik vor allem diskursiv nähert, geht es im Praxisseminar um die Behandlung ausgewählter historischer Themen im Unterricht und um Aspekte der methodischen Umsetzung. Die Praxisstudie besteht aus einem Seminar und einem begleitenden Schulpraktikum. Hier wird Unterricht gemeinsam geplant, durchgeführt und evaluiert. Ergänzt wird das Angebot durch das Seminar Geschichtsunterricht in der Sekundarstufe I, das speziell auf die Bedürfnisse zukünftiger Lehrer*innen an Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen zugeschnitten ist. Im Master of Education ist die Fachdidaktik für die Vorbereitung, Begleitung und Reflektion des Praxissemesters und das Seminar Geschichtsdidaktische Vertiefung zuständig. Sie beteiligt sich zudem am fachwissenschaftlichen Masterprofil "Geschichtskulturen" und dessen Kolloquium.
Studierenden des Grundschullehramts im Lernbereich Sachunterricht bieten wir verschiedene Lehrveranstaltungen an, in denen Fragen der historischen Perspektive des Sachunterrichts und des frühen historischen Lernens inhaltlich und didaktisch aufgegriffen werden. Integrative Veranstaltungen zur Sachunterrichtsdidaktik verantworten wir gemeinsam mit Kolleg*innen aus den anderen am Sachunterricht beteiligten Fächern.
Ziel des Studiums im Bereich Geschichtsdidaktik ist es, dass die Studierenden ihre theoretischen Kenntnisse praxisorientiert und empirisch reflektieren, Unterrichtsmaterialien und eine eigene Stunde entwerfen können sowie erste Erfahrungen gesammelt haben, wie sie selbst als Lehrer*innen in einer Lerngruppe agieren.