finanziert aus Mitteln des Strategieetats der Universität Bielefeld auf Antrag der Gleichstellungsbeauftragten der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft (2019-2020).
Trotz zahlreicher Maßnahmen zur Gleichstellung der Geschlechter sind Frauen weiterhin auf allen Qualifikationsstufen des deutschen Wissenschaftssystems unterrepräsentiert. Dies überrascht insbesondere vor dem Hintergrund, dass zahlreiche Statistiken darauf hinweisen, dass Mädchen und Frauen in der schulischen und universitären Ausbildung eher zu besseren Leistungen und qualifizierteren Abschlüssen als männliche Lernende kommen.
Geschlechtergerechtigkeit ist ein politisch-soziales Anliegen, das inzwischen von Politik und Wissenschaftsorganisationen angestrebt und im Hochschulgesetz verankert wurde (vgl. HG NRW). Eine geschlechtergerechte Teilhabe von Frauen an allen Bereichen der Hochschule soll erreicht werden, indem gesetzlich vorgegeben ist, dass bspw. Gremien der akademischen Selbstverwaltung geschlechtsparitätisch besetzt werden, oder die Chancengerechtigkeit von Frauen und Männern bei der Berufung von Professorinnen und Professoren gewährleistet wird (HG NRW § 37a). Erste Veränderungen sind nachweisbar, wenn diese auch noch längst nicht zufriedenstellend sind (vgl. z.B. den GenderReport 2016 zur Geschlechter(un)gerechtigkeit an den nordrhein-westfälischen Hochschulen). An der Universität Bielefeld wird durch Maßnahmen der Gleichstellungspolitik gezielt auf Geschlechtergerechtigkeit hingewirkt: So ist der Anteil der Professorinnen von 17,5% im Jahr 2005 auf 26,3% im Jahr 2017 gestiegen. Im bundesweiten Vergleich ist die Universität Bielefeld damit eine Vorreiterin und erhielt mehrfach Bewertungen in der Spitzengruppe, bspw. für ihr Gleichstellungszukunftskonzept (2018).
Geschlecht ist demnach heute ein strukturbildendes Merkmal bei der Besetzung von Hochschulpersonal. Konkret wird im Pilotprojekt gefragt, ob sich durch die stärkere Teilhabe und Beteiligung von Frauen die Forschungslandschaften inhaltlich und strukturell geändert haben.
Dazu wird untersucht, welche Auswirkungen Gleichstellungspolitik auf der Ebene wissenschaftlicher Praxis hat. Sind etwa Veränderungen in der Forschungslandschaft, -ausrichtung oder -profilierung erkennbar, die über die ‚bloße‘ numerische Geschlechtergerechtigkeit hinausgehen? Das Erkenntnisinteresse richtet sich somit auf die Forschungspraxis von Forscherinnen und darauf, wie sie die wissenschaftliche Kultur prägen. Gegenstand der Untersuchung sind strukturelle und inhaltliche Aspekte, wie Führungsstil und Teambildung, thematische Schwerpunktsetzungen, Publikationsaktivität und internationale Vernetzung sowie die Beteiligung an der akademischen Selbstverwaltung. Ziel ist es zu erforschen, inwieweit sich Veränderungen im Bereich der universitären Forschung und der Ausbildung wissenschaftlicher Profile durch die Anerkennung von Chancengleichheit als Qualitätsmerkmal und strukturbildende Kategorie zeigen, und ob die bisherigen Maßnahmen zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit die Universität Bielefeld als Institution verändert haben. Theoretisch verortet sich das Projekt damit in der Frauen- und Geschlechterforschung einerseits sowie in der Hochschulforschung zur Geschlechtergerechtigkeit andererseits.
Um der Komplexität des Untersuchungsgegenstandes gerecht zu werden, wird im Projekt ein mehrstufiges und multivariates methodisches Vorgehen umgesetzt, das unterschiedliche Arten von Daten erhebt und verschiedene Auswertungsmethoden anwendet.
Prof. Dr. Friederike Kern
W3 Professur Frühe sprachliche Bildung und frühes Lernen
Dr. Petra Pansegrau