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Was ist Problemorientiertes Lernen?

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Was ist Problemorientiertes Lernen?

Folgender Text lehnt sich eng an unseren WiSt-Artikel an.²

Ursprünglich 1969 an der kanadischen McMaster-Universität Hamilton, zur Verbesserung der Medizinausbildung (Ziele: Überwindung der Diskrepanz zwischen Fachwissen und Anwendung in der Praxis) entstanden, ist das "Problem Based Learning"- als Lehr- und Lernansatz an vielen medizinischen Fakultäten- vereinzelt auch an betriebswirtschaftlichen Fachdisziplinen und gar an universitätsweit, wie an der Universität Maastricht in der Niederlande, der Universität Newcastle in Australien oder an der Universität Linköping in Schweden, verbreitet. Die Methode kann in verschiedenen Varianten (Kleingruppentutorien, probembasierten Vorlesungen, Großgruppendiskussionen, problembasierten Übungen u. a.) umgesetzt werden. Im deutschsprachigen Raum wird es oft als "Problemorientiertes Lernen" (PoL) bezeichnet.

Lerntheoretisch lässt PoL sich am ehesten in der konstruktivistischen Lerntheorie verorten: Die Lernenden sollen aktiv neue Know-how-Strukturen aufbauen oder vorhandene reflektieren, indem auf Basis des Vorwissens miteinander Know-how vernetzt, bestehendes in neuem "Wissen" verknüpft, das Know-how in immer wieder neuen Situationen verwendet wird und konkrete Lernerfahrungen dann zu einem Zuwachs an individuellem Know-how führen. Lehren "erzeugt" nach diesem Verständnis kein neues Know-how, sondern regt allenfalls an, das selbst-konstituierte Know-how zu verändern.

In der Literatur existieren unterschiedlich weite Auffassungen über den Begriff des PoL. Im engeren Sinne wird es als „Lehr- und Lernform" bezeichnet, bei dem das Lernen durch die konkrete und weitgehend selbstständige Auseinandersetzung in einer Kleingruppe mit einem authentischen eher komplexen Fallbeispiel - mit einer oder mehreren Problemstellung/en - aus der Praxis erfolgt. Die Problemstellung wird nicht explizit benannt, sondern sie zu definieren ist Teil des Lernens. Das Fallbeispiel wird in Kleingruppen und unter der Moderation eines Dozenten in prinzipiell vorgegebenen Arbeitsschritten bearbeitet. PoL setzt nicht allein auf die Arbeit an Fällen, sondern fördert die aktiven-konstruktiven Leistungen seitens des Lernenden.

Darüber hinaus kann PoL im weitesten Sinne auch als "Unterrichtsphilosophie" verstanden werden. Demnach ist es nicht mehr die Aufgabe der Dozenten die fertig vorbereiteten Lerninhalte zu präsentieren, sondern "nur noch" den Lernprozess zu initiieren und zu begleiten.

Für uns ist das Ausbildungsziel des PoL "[...] über die konkrete Problemlösung hinaus transferfähiges Wissen und fachspezifische Lern- und Denkstrategien zu erwerben" (Reusser, 2005, S. 13 ff.). Mit den zu vermittelnden Kompetenzen soll ein besserer Fit zu den Qualifikationsanforderungen der Praxis (Lernfähigkeit, Reflexionsfähigkeit, Selbst-ständigkeit, Teamfähigkeit, Analysefähigkeit u. Ä.) erreicht werden - auch für akademische Berufsfelder.

Umgesetzt wird das Problemorientierte Lernen während der Bearbeitung eines Fallbeispiels mittels den sogenannten "Eight Steps". Dabei handelt es sich um acht Schritte, die bei der Fallbearbeitung systematisch durchlaufen werden sollen.

Quelle: In Anlehnung an Schmidt (1983) S. 13 ff.

 

Schritt

Vorgehen

Step 1

 

„Klärung“

Das PoL startet mit der Ausgabe eines echten oder fiktiven, realitäts-bezogenen Fallbeispiels aus der Praxis an die Studierenden. Dieses kann unterschiedliche Problemaspekte zu einem oder mehreren Themengebieten enthalten. Nach einem ersten Durcharbeiten des Falls können inhaltliche Unklarheiten in einer offenen Fragerunde innerhalb der Kleingruppe geklärt werden.

Step 2

 

„Problemdefinition“

Im zweiten Schritt tragen die Studierenden die Problemaspekte, die aus ihrer Sicht im Fall enthalten sind, schriftlich zusammen. Da eine konkrete Fragestellung nicht vorgegeben ist, definieren sie selbst das Kernproblem bzw. die Kernprobleme des Falls. Dies kann dazu führen, dass jede Gruppe unterschiedliche Probleme identifiziert und auch bearbeitet.

Step 3

 

„Ideensammlung“

Die Sammlung und Generierung von Ideen zur Handhabung der identifizierten Probleme erfolgt in der dritten Phase. In diesem Arbeitsschritt werden, ähnlich einem Brainstorming, Vorkenntnisse, Vermutungen und Ideen von Gruppenmitgliedern durch die Gruppe gesammelt und für alle sichtbar visualisiert.

Step 4

 

„Strukturierung“

Danach ist es die Aufgabe der Studierenden, die Ideen nach selbstgewählten Kriterien zu strukturieren und zu gewichten. Auch muss darüber entschieden werden, ob einzelne Aspekte begründet ausgeschlossen werden oder alle Aspekte für die Handhabung des definierten Kernproblems relevant sind.

Step 5

 

„Lernzielformulierung“

Im fünften Step halten die Gruppenmitglieder schriftlich fest, welche Sachverhalte für die Lösung der Probleme aus ihrer Sicht relevant sind. Über die Formulierung von Lernzielen (i. S. v. Arbeitsaufträgen) legt die Gruppe fest, wie - und durch wen - systematisch die Erweiterung des Vorwissens vorgenommen werden soll. Dabei wird erfasst, ob alle Aspekte zur Lösung des Falls in der Gruppe bekannt sind oder ob Wissensdefizite noch abgedeckt werden müssen, um die Aufgabe abschließend bearbeiten zu können.

Step 6

 

„Informationsbeschaffung/
Erarbeitung von Lerninhalten“

Die folgende Informationsbeschaffung dient der Bearbeitung der bereits formulierten Lernziele bzw. Arbeitsaufträge. Sie kann entweder durch die Bereitstellung von Recherchematerial von Seiten des Dozenten erfolgen oder durch die Nutzung anderer Ressourcen (Bibliothek, Internet, Expertengespräche u. Ä.) innerhalb eines Selbststudiums der Studierenden - auch außerhalb der PoL-Präsenzveranstaltung. Ebenfalls erfolgt hier die strukturierte und selektive Aufbereitung der erarbeiteten Inhalte zur späteren Visualisierung in der Schlussphase.

Step 7

 

„Präsentation und Diskussion“

In der vorletzten Phase werden die erarbeiteten Falllösungen den anderen Kleingruppen präsentiert, verglichen und diskutiert. Letztlich steht dabei nicht die Lösung (oft gibt es mehrere sinnvolle) des jeweilig bearbeiteten Problems im Vordergrund der Diskussion, sondern - ganz im konstruktivistischen Sinne - die Reflexion der Vorgehensweise und Argumentationen.

Step 8

 

„Reflexion“

Im achten Schritt, der sogenannten Reflexion, gilt es die erarbeiteten Falllösungen und den PoL-Prozess innerhalb der Kleingruppen zu reflektieren und diskutieren, um den eigenen Lernprozess zu erörtern.

 

 

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