Das Zentrum für Ästhetik präsentiert hier vorerst online Arbeiten von Künstler*innen, die sich mit dem Thema "Zensur" auseinandersetzen.
Erfurt 1976: Studierende setzen sich für offene Diskussionen an der dortigen Pädagogischen Hochschule ein und wenden sich dabei mit einem von 83 Studierenden unterschriebenen Brief auch an die Bildungsministerin Margot Honecker. Der Staatsapparat reagiert hart. Wer seine Unterschrift nicht zurückzieht, wird zwangsexmatrikuliert, verbunden mit Studienverbot an sämtlichen Hochschulen der DDR.
Zu den Betroffenen gehört die später als Künstlerin und Schriftstellerin bekannt gewordene Gabriele Stötzer, die von der Hochschulleitung als eine von drei „Rädelsführern“ identifiziert wird. Zusammen mit Jochen Voit und Studierenden der Uni Bielefeld liest sie aus ihrem Buch „Rädelsführer. Studentischer Protest in der DDR 1976“. Der Trompeter Daniel Hoffmann und die Tänzerin Susanne Ogan kommentieren die Texte mit künstlerischen Mitteln.
Die vielseitige Detmolder Künstlerin Christa Niestrath hat dem Zentrum für Ästhetik dankenswerterweise die Fotografie einer Installation zur Verfügung gestellt, die sie für eine Ausstellung mit dem Titel „Der gläserne Mensch“ erarbeitet hatte. Diese Ausstellung wurde seinerzeit im Schwalenberger Robert-Roepke-Haus gezeigt. Die Nähe zum Thema „Zensur“ liegt dabei auf der Hand. Christa Niestrath nannte ihre Arbeit „wir kennen dich …. beobachten – sammeln – speichern“ und beschreibt sie wie folgt:
Um einen Beobachtungsspiegel sind kleine Leinwände angeordnet, die für die unterschiedlichen Arten der Codierung des Individuums stehen. Ob Krankenversicherungsausweis, Handy-Ortung oder EC-Karte: Wer einen Blick in den Spiegel wirft, sieht sich selbst in dem jeweiligen Raums, umgeben von Codes und Kennnummern.
Der halbkugelförmige Spiegel erlaubt auch den Gedanken: Kontrolle weltweit, nirgends ist man unbeobachtet.
Identitäten gibt es so viele, wie es Menschen gibt. Sie setzen sich zusammen aus dem Geschlecht, der Hautfarbe, der Herkunft, den Berufen unserer Eltern, den eigenen Erfahrungen, aber auch aus den Einflüssen der anderen. So individuell wir eigentlich alle sind und auch gesehen werden wollen, so sehr wollen wir auch dazu gehören.
Findest du, dass du und ich jetzt gleich aussehen?
Naja, wenn ich uns beide mit Worten beschreiben müsste, wären es glaube ich schon mehr oder weniger dieselben. Hör mal, ich weiß, dass du dir darum Sorgen machst, und ich glaube, das hat mit dem Gefühl zu tun, du könntest weniger du selbst sein, wenn ich immer mehr wirke wie du.
In einer Zeit, in der die Gemeinschaft sich ausgeweitet hat, nicht mehr nur aus unserem direkten Umfeld besteht, sondern sich im digitalen Social Media zu einer Schar aus Follower:innen neu formiert hat, scheint die Bestätigung der anderen noch wichtiger geworden zu sein. Ein „Like“ hier, ein „Herz“ dort, ein schneller Kommentar haben mittlerweile denselben Stellenwert, wie ein direktes Kompliment oder ein Zulächeln unter Fremden. Es macht uns glücklich.
Wir wollen gesehen werden, Anerkennung bekommen und gelobt werden und das manchmal für den Preis, dass wir bestimmte Eigenschaften, die wir als vermeintlich „not so likeable“ einstufen, unsichtbar werden lassen, sie verstecken oder sie einfach ganz aus unserer Persönlichkeit streichen.
Also findest du schon, dass du aussiehst wie ich?
Naja, du findest, dass du aussiehst wie ich.
Das Phänomen der ‚Selbst-Zensur‘ gehört im Internet zum guten Ton. Wer ganz oben im Social Media Himmel sein möchte, filtert und korrigiert ganz ungeniert. Schlechte Tage gehören nicht zum Alltag. Das Leben besteht aus dem, was die anderen sehen wollen. Das Selbst wird zur eigenen Marke. Eine Marke, die gekonnt in Form gebracht und in Szene gesetzt wird. Eine Marke, die begehrt ist, die Nachahmung findet.
Doch wo höre ich auf und fängt Selbst-Zensur an?
Im Netz ist diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten. Laut Definitionen meint Selbst-Zensur erst einmal die Zensur, die sich Menschen oder Institutionen selbst auferlegen, z.B. hinsichtlich Meinungs- oder Pressefreiheit. Eine Selbst-Zensur in Bezug auf das komplette eigene Sein, ist hier noch nicht eingeschlossen. Und doch finden wir diese Phänomene im Netz. Das Social Media macht es möglich uns selbst die Identitäten geben zu können, die wir im analogen Leben nicht führen können.
Am Ende bleibt die Frage, was ist Zensur und was ist Alter Ego?
Würdest du uns auseinanderhalten können?
Sicher, ich kenne dich doch. Naja, natürlich glaube ich, dass ich das könnte. Aber das ist hart. Jeder glaubt das. Aber in Wirklichkeit ähneln sich Menschen extrem.
Mit dieser Frage beschäftigte sich das Feedback Kollektiv in seiner Produktion aus dem Jahr 2019 „Identität – ein performatives Selfie“. Sie wollten herausfinden, ob wir uns alle permanent im Social Media selbst zensieren, wer wir im Netz sind, was Identität im Digitalem ausmacht und ob die eigene Internet-Präsenz genau so real ist, wie die Rollen, die wir im analogen Leben verkörpern.
Ich verstehe nicht, warum du mir nicht einfach sagen kannst, dass ich genau bin wer ich bin und dass ich nicht mit dir verwechselt werden könnte.
Das könnte ich dir sagen. Aber das könnte dir jeder sagen. Es ist, als würde ich, wenn ich dir das sagen würde, verschwinden. Als würde ich zu jemandem, den du nicht mehr wiedererkennst. Was ich sage ist, dass du nicht bekommen wirst, was du willst. Wahrscheinlich willst du nicht einmal, was du willst.
Es entstand eine vielschichtige Inszenierung, die, mittels der Nutzung von Live-Cams und Video-Kunst, mehrlagige Bilder in den Bühnenraum projizierte. Das Spiel mit der weißen Maske als Symbol für die Anonymität, aber auch für die Wandlungen und Anpassungen, die wir tagtäglich durchlaufen, um in ein System zu passen, egal ob analog oder digital, intensivierten das Spiel.
Holy Sh**! An Zensur im Internet haben wir uns längst gewöhnt. Die vielen Sternchen und Beeps überlesen oder -hören wir und ergänzen die fehlenden Buchstaben und Wörter ganz selbstverständlich, wie bei einem einfachen Kreuzworträtsel. Doch was ist mit der Zensur, die nicht so offensichtlich zu erkennen ist? Die Zensur, die wir nicht bemerken und die dennoch unsere Meinung und selbst unsere eigenen Aussagen beeinflussen kann?
Agnetha Jaunich und Florian Wessels vom Feedback Kollektiv wollen herausfinden, wie viel Zensur wir in unserem medialen Alltag akzeptieren können und wollen. In einem spielerischen Selbstversuch wird die Zensur zum künstlerische Stilmittel.
Das Goethe-Institut präsentiert Regisseure aus 20 Nationen, die mit Kurzfilmen ein Zeichen gegen Zensur setzen. Die Filme sind jeweils maximal 45 Sekunden lang.
Zu sehen sind die Filme auf den Seiten des Goethe-Instituts.
How often have you answered the question "How you're doing?" truthfully?
Mind_over_matter presents a collection of student made shortfilms that work through issues of mental health and self-/censorship. What do we leave unsaid? Which feelings are perceived as legitimate which aren't? How does stigma and the lack of information stand in the way of being diagnosed? What helps us to be more outspoken? Topics covered range from autism to eating disorders.
The projects' premiere on YouTube was on July 25th at 8 pm.
To learn more about efforts to destigmatize mental health issues within academia visit
https://liligoesmental.de/
Are you looking for ways to improve your mental well-being? Here's a good place to start:
https://liligoesmental.de/hilfsangebote/
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IG: @edg.bielefeld
Den Anfang macht der Klangkünstler Marcus Beuter. Dem Uni-Publikum ist Marcus Beuter nicht zuletzt durch die Klanginstallationen "Subversiv" (2018 vor dem Uni-Haupteingang) und "Acuisha" (2019 bei der "Nacht der Klänge") bekannt. Die Anregung des Zentrums für Ästhetik, sich akustisch mit dem Thema "Zensur" auseinanderzusetzen, griff er sofort mit viel Idealismus auf und präsentiert hier seine neueste Produktion "Die Verfolgung politischer Zwecke". Dort setzt er sich mit der Gemeinnützigkeit von politischen Vereinen wie "Attac" auseinander, denen die Gemeinnützigkeit teilweise aberkannt wurde. Beuter baut aus juristischen Texten, vorgetragen von gleichmütig-leiernden Computerstimmen, eine an vielen Stellen grotesk und komisch wirkende Collage, ohne damit sein Anliegen einer ernsthaften Auseinandersetzung mit dem zensurnahen Thema ins Lächerliche zu ziehen. Aber folgen Sie dem unten stehenden Link und lesen Sie selbst, wie er seine Arbeit erläutert!
Marcus Beuter, 1968 in Wuppertal geboren, ist Klangkünstler, Improviser und Komponist elektroakustischer Musik. Im Fokus seiner Arbeit stehen field recordings, die er auf Reisen durch Afrika, Asien, Europa, Nord- und Südamerika aufnimmt. Hinzu kommen diverse Interviewprojekte zu sozialen Themen und der Rezeption verschiedener Kulturen.
Er spielt in verschiedenen Ensembles und als Solist und tritt mit Künstlern verschiedener Genres auf. Beuter ist Mitglied der internationalen Künstlergruppe SINTOS.
Konzerte gab er in Europa, Brasilien, Iran und Armenien, Workshops im Iran, Armenien, Berg-Karabach, Bolivien, Bosnien-Herzegowina, Tschechische Republik, Slowenien und Deutschland. Seine Kompositionen wurden auf Festivals in Europa und Nordamerika präsentiert, seine Installationen neben Deutschland auch in Armenien und Georgien gezeigt.
Er koordinierte und organisierte verschiedene Großprojekte wie das Soziale Kunstwerk bielefelder SCHWÄRME mit 800 Teilnehmern. Beuter ist Mitbegründer des Labels fragmentrecordings und im Vorstand der Cooperativa Neue Musik.
Wie gesagt: Sobald es wieder möglich ist, soll "Die Verfolgung politischer Zwecke" nicht nur im Netz, sondern auch "live" und in anspruchsvoller akustischer Realisierung auf dem Campus zu erleben sein!
Zur Klanginstallation bitte hier klicken.