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Gender Pay Gap

Campus der Universität Bielefeld
© Universität Bielefeld

“Wir müssen über Geld reden“

Ein Interview mit Marie I. Kaiser, ehem. Prorektorin für Personalentwicklung und Gleichstellung, anlässlich des Equal Pay Day 2023 (7. März)

Gerechte Bezahlung für Männer und Frauen gleichermaßen ‑ auch an der Universität Bielefeld ist die nicht überall erreicht. Prorektorin Marie I. Kaiser hat 2020 das Projekt Gender Pay Gap aufgesetzt. Erste interne Analysen zeigen: Der Verdienstunterschied zwischen Professorinnen und Professoren ist kleiner als zunächst vermutet. Aber: Damit es in Zukunft langfristig und nachhaltig keinen Verdienstunterschied mehr gibt, braucht es konkrete Maßnahmen und eine feste strukturelle Basis.

Was hat Sie dazu bewegt, sich als Prorektorin mit dem Gender Pay Gap zu beschäftigen?

Ende 2019, kurz vor Beginn meiner Amtszeit, wurde das Thema im Senat der Universität Bielefeld diskutiert und es kam der Wunsch nach mehr und für die Universität Bielefeld spezifischen Daten auf. Im November 2019 wurde dann der Gender Report der Hochschulen in NRW mit dem Schwerpunkt Gender Pay Gap veröffentlicht. Zum ersten Mal gab es landesweit vergleichbare Zahlen ‑ das hat sowohl bei uns an der Universität als auch auf Landesebene einiges in Bewegung gesetzt. So hat der Gender Report herausgefunden, dass der Gender Pay Gap 2016 an den Universitäten in NRW (ohne Medizinische Fakultäten) in Bezug auf alle W- und C-Professuren bei 746 Euro lag. Am höchsten fiel die geschlechtsspezifische Lohnlücke bei der Besoldungsgruppe W3 aus (599 Euro monatlich).

Auf Landesebene haben die NRW-Hochschulen im März 2022 eine gemeinsame Erklärung mit dem Wissenschaftsministerium unterschrieben, in der sich alle dem Ziel verschreiben, die geschlechtsspezifische Lohnlücke bei Professuren zu schließen. An der Universität Bielefeld haben wir im Jahre 2020 das Prorektoratsprojekt Gender Pay Gap auf den Weg gebracht und in diesem Rahmen im November 2022 einen ersten eigenen Bericht mit detaillierten Daten in den Universitätsgremien vorgestellt.

Was sind die Ziele des Prorektoratsprojekts?

Aufgaben und Leistungen sind unabhängig vom Geschlecht, und ihre Bezahlung sollte es auch sein. Das Ziel des Projektes ist zum einen der nachhaltige Abbau des Gender Pay Gaps in den Bereichen, in denen er noch besteht, und zum anderen die Sicherung der guten Praxis, die bisher dazu geführt hat, dass wir im Gegensatz zu anderen NRW-Hochschulen in einigen Bereichen schon seit Jahren keinen Gender Pay Gap haben.

Im Prorektoratsprojekt wollen wir aber nicht nur den professoralen Bereich in den Blick nehmen, sondern uns auch Geschlechtsunterschiede bei der Bezahlung der wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen und der Mitarbeitenden in Technik und Verwaltung (MTV) anschauen. Für den MTV-Bereich gibt es aktuell schon eine Arbeitsgruppe, die sich aufgrund des Wandels der Arbeit die Tätigkeiten im Sekretariatsbereich anschaut. Das Prorektoratsprojekt bezieht die Ergebnisse der AG ein und fragt allgemeiner danach, ob und warum es Gehaltsunterschiede von Frauen und Männern gibt und mit welchen Maßnahmen der Gender Pay Gap aufgelöst werden kann.

Was braucht es, um dieses Ziel zu erreichen?

Der erste Schritt ist Transparenz – zum einen bei den Zahlen und zum anderen in den Prozessen. Wir müssen anfangen, mehr über Geld zu reden! In unserem Gremienbericht im vergangenen November haben wir erstmalig im Detail konkrete Zahlen zu den verschiedenen Arten der Leistungsbezüge von Professor*innen vorgestellt. Diesen Bericht soll es von nun an aktualisiert jedes Jahr geben. Aber darüber zu reden reicht natürlich nicht; in einem nächsten Schritt geht es um die Entwicklung von konkreten Maßnahmen zur Beseitigung des Gender Pay Gaps.

Wie kann mehr Transparenz in den Prozessen aussehen?

Ein konkretes Beispiel: Viele Neuberufene, mit denen ich über die Themen Gender Pay Gap und Berufungsverhandlungen spreche, erzählen mir von großen Unsicherheiten bei der Vorbereitung der Verhandlungen. Sie haben wenige Informationen über den Ablauf, die Inhalte und erfolgreiche Strategien für Berufungsverhandlungen und auch im Kolleg*innenkreis wird nur selten über konkrete Zahlen gesprochen. Auch ich selbst habe vor meinen ersten Berufungsverhandlungen von Kolleg*innen zwar deren Unterlagen bekommen, aber die Zahlen für die Gehaltsforderungen waren geschwärzt. Das mache ich mittlerweile bewusst anders, was bei meinen Kolleg*innen Dank, aber auch immer noch Erstaunen hervorruft. Auch in der Wissenschaft spricht man noch nicht offen über Gehälter.

Zu welchen Ergebnissen sind Sie bei der Auswertung der Gehaltszahlen an der Universität Bielefeld gekommen?

Der Gender Report 2019 für das Land NRW hat uns einen guten Überblick über die durchschnittlichen Bezüge und Gehaltsdifferenzen bei den verbeamteten Professor*innen gegeben. Von da aus sind wir bewusst tiefer eingestiegen und haben uns die Professor*innengehälter in Bezug auf die verschiedenen Arten der Leistungsbezüge angeschaut. Das Ergebnis war: Insgesamt läuft schon vieles gut.
Bei den Leistungsbezügen unterscheidet man drei Arten: Berufungs- und Bleibeleistungsbezüge, besondere Leistungsbezüge und Funktionsleistungsbezüge. Ein Blick zum Beispiel auf die besonderen Leistungsbezüge zeigt uns: Wir haben hier erfreulicherweise keinen Gender Pay Gap – weder bei W3- noch bei W2-Professor*innen – und das schon seit vielen Jahren.

Und trotzdem sehen Sie bei den besonderen Leistungsbezügen Handlungsbedarf. Warum?

Besondere Leistungsbezüge können alle zwei Jahre durch die Professor*innen selber über die Dekan*innen beim Rektor bzw. bei der Rektorin beantragt werden. Sie können beantragt werden, wenn man in den Bereichen Forschung, Lehre, Kunst, Weiterbildung und/oder Nachwuchsförderung besondere Leistungen erbracht hat. Die Vergabe erfolgt auf der Basis eines vorgegebenen Kriterienkatalogs. Auf Seiten vieler Professor*innen besteht jedoch Unsicherheit darüber, welche Leistungen als besondere Leistungen gewertet werden und ob die von ihnen erbrachten Leistungen von der richtigen Sorte sind oder ausreichen, um einen Antrag zu stellen. Auch an dieser Stelle hilft mehr Transparenz und das Gehalt zum Thema zu machen!
Die Auswertung der letzten Vergaberunde der besonderen Leistungsbezüge zeigt interessante Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Unter den Antragsstellenden begründen fast alle Männer ihre besonderen Leistungen mit Publikationen (98 Prozent) und sonstigen Forschungsleistungen (98 Prozent), von den Frauen hingegen nur 77 Prozent (Publikationen) bzw. 81 Prozent (sonstige Forschung). Nachwuchsförderung wird von den wenigsten Antragsstellenden als Begründung angeführt (Männer 58 Prozent, Frauen 48 Prozent). Insgesamt geben Männer durchschnittlich besondere Leistungen in deutlich mehr Kategorien gleichzeitig an als Frauen.
Auch an einer anderen Stelle sehen wir Handlungsbedarf: Die Zahlen der letzten Antragsrunden zeigen deutlich, dass Frauen weniger als Männer von der Möglichkeit Gebrauch machen, einen Antrag auf besondere Leistungsbezüge zu stellen. In den Jahren 2015, 2017 und 2019 lag der Frauenanteil unter den Antragsberechtigten deutlich unter dem Frauenanteil unter den Antragsstellenden.

Entwicklung der Frauenanteile bei der Antragsstellung für besondere Leistungsbezüge
Entwicklung der Frauenanteile bei der Antragsstellung für besondere Leistungsbezüge

Haben Sie eine konkrete Idee, wie man hier gegensteuern kann?

Das hatten wir tatsächlich und wir haben unsere Idee in der Antragsrunde 2021 direkt ausprobiert. Wir haben den Kommunikationsprozess anders gestaltet und gemeinsam mit dem Rektor und dem Personaldezernat das offizielle Schreiben einladender und motivierender formuliert. Wir haben betont, dass die gesamte Bandbreite der in den Leitlinien aufgeführten Kriterien für einen Antrag genutzt werden soll und auch Professorinnen explizit zur Antragsstellung aufgefordert. Wir wissen natürlich nicht, ob das die Ursache war, aber in der vergangenen Antragsrunde 2021 lag der Frauenanteil unter den Antragsstellenden dann bei 37 Prozent und damit leicht über dem Frauenanteil der Antragsberechtigten.

Kann man dann sagen: Wir haben gar kein Problem mit einem Gender Pay Gap?

Leider nein. Wir haben einen Gender Pay Gap in anderen Bereichen:
Die Daten bei den unbefristeten Berufungs- und Bleibeleistungsbezügen zeigen, dass wir im Jahr 2021 einen Gender Pay Gap in Höhe von 19 Prozent bei den W3-Professuren haben. Wir sprechen hier von durchschnittlich 340 Euro monatlich, die Frauen in den vergangenen Jahren auf W3-Professuren weniger bekommen haben als Männer auf W3-Professuren. Bei den W2-Professuren haben wir erfreulicherweise eine nur sehr geringere Lohnlücke zu Gunsten der Frauen. Frauen auf W2 Professuren bekommen durchschnittlich 46 Euro mehr als Männer auf W2-Professuren.

Die Lohnlücke bei den unbefristeten Berufungs- und Bleibeleistungsbezügen zwischen Professorinnen und Professoren an der Universität Bielefeld

Was war bisher die größte Hürde im Projekt?

Die Datenbasis. Während der Gender Report auf die groben Daten aus der amtlichen Personalstatistik und auf die IT.NRW Finanzstatistik zugreift, sind unsere Daten deutlich ausdifferenzierter. Das erzeugt dann auch gern mal unterschiedliche Ergebnisse, für die wir nach Erklärungen suchen. Für den oben genannten Gremienbericht wurden erstmals hausintern Daten vom Personalcontrolling zum Gender Pay Gap erhoben und von uns ausgewertet. Die Erhebung der Daten gestaltete sich zeitaufwändiger als erwartet, da viele händische Korrekturen der Datensätze und Rücksprachen mit der Fachabteilung (P/O.1) zu den Leistungsbezügen einzelner Personen erforderlich waren.
Damit die Datenerhebung und -auswertung in Zukunft mit weniger Aufwand und schneller geschieht und weniger fehleranfällig ist, möchten wir ein automatisches, IT-gestütztes Gender Controlling etablieren.

Wie kann man aus Ihrer Sicht eine gute Entgeltpraxis am besten sichern?

Bei der Analyse der Prozesse und Verfahren ist uns aufgefallen, dass einzelne Personen, ihre Haltung und ihre Herangehensweise einen großen Einfluss auf die Gehälter von Professor*innen haben. Die wichtigste Rolle kommt hier dem Rektor bzw. der Rektorin zu. Das kann ein Erfolgsfaktor sein, es birgt aber auch die Gefahr, bei einem personellen Wechsel eine in Sachen Gender Pay Gap gute, erfolgreiche Praxis zu verlieren, da sie kaum in dauerhaften Strukturen verankert ist. An diesen Punkt setzt das Gender Pay Gap Projekt an. Wir möchten nicht nur das Gehalt zum Thema machen und mehr Transparenz schaffen, sondern auch das Ziel „Entgeltgleichheit“ in den Leitlinien zur Vergabe von Leistungsbezügen sowie in den Verhandlungs- und Vergabeprozessen strukturell verankern.

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