Bielefelder Lehrer*innenbildung
Der Reflexion wird eine relevante Funktion zugeschrieben, gilt diese doch „als hochrangig eingestufte Fähigkeit, das Gelernte in seinem Stellenwert einzuschätzen, in größeren Zusammenhängen zu verorten und zu relativieren“ (Tenorth & Tippelt 2007, S. 598).
Insbesondere die Phasen rund um die Praxisstudien sind dafür geeignet, einen kontinuierlichen Perspektivwechsel zwischen Wissenschaft und Praxis einzuüben. Der Reflexion kommt hierbei eine Schlüsselfunktion zu. Häcker (2017) sieht die vermittelnde Funktion von Reflexion darin begründet, dass sie in der Lage ist, unser implizites Wissen in der Analyse von konkreten Handlungssituationen bewusst zu machen. Diese Bewusstheit ist notwendig, um das implizite Wissen auf wissenschaftliches Wissen und andere adäquate Bewertungsmaßstäbe beziehen und gegebenenfalls reorganisieren, und letztlich im konkreten Handeln begründet und professionell agieren zu können (S. 22). Das Portfolio stellt ein mögliches Instrument einer Theorie-Praxis-Reflexion dar und eröffnet so einen Zugang zur ›doppelten Professionalisierung‹ bei der (angehende) Lehrer*innen sowohl einen wissenschaftlich-reflexiven Habitus als auch einen „Habitus des routinisierten, praktischen Könners“ ausbilden (Helsper 2001, S. 13).
Im Zentrum Praxisreflexion bündeln wir Angebote, die Sie bei Ihrer Portfolioarbeit unterstützen sollen. Im Fokus steht dabei das ausbildungsbegleitende Lehramtsportfolio. An der Universität Bielefeld nennen wir dieses Portfolio Bielefelder Portfolio Praxisstudien.
Grundsätzlich können Sie bei der Portfolioarbeit in Ihrem Studium unterscheiden,
Unsere Angebote sind auf das Bielefelder Portfolio Praxisstudien ausgerichtet; die Informationen, Materialien und Tipps können aber sicherlich auch bei der Erstellung weiterer Portfolios hilfreich sein.
Der Begriff Portfolio stammt von den lateinischen Wörtern portare (= tragen) und folium (= Blatt) ab. Ein Portfolio kann somit zunächst einmal als eine Sammelmappe verstanden werden.
Damit ein Portfolio nicht ausschließlich zu einem Aufbewahrungsort, sondern zu einem sinnvollen und nachhaltigen Ausbildungselement wird, muss es eigenverantwortlich und systematisch bearbeitet werden. Die zentralen Tätigkeiten bei der Arbeit mit und an dem Bielefelder Portfolio Praxisstudien sind die Dokumentation und die Reflexion des eigenen berufsbezogenen Entwicklungsprozesses. Während die Dokumentationstätigkeit weitgehend dem Bild einer Sammelmappe entspricht, geht die Reflexionstätigkeit weit darüber hinaus.
Aus dem Lateinischen entlehnt bedeutet Reflexion (reflectere) soviel wie ›Rückbeugung‹ und kann definiert werden als
„ein mentaler Prozess, der in Gang kommt, wenn wir versuchen, eine Situation oder ein Problem, eine Erfahrung oder Handlung, Wissen oder Einsichten zu strukturieren, zu rekonstruieren, teilweise auch umzustrukturieren“ (Denner 2010, S. 109).
Das Portfolio stellt ein Instrument dar, das eine solche Reflexion unterstützen kann.
Gemäß der nordrhein-westfälischen gesetzlichen Grundlagen der Lehrer*innenausbildung ist es für Lehramtsstudierende verpflichtend, ihren berufsbiografischen Prozess entlang der Praxiselemente in einem Portfolio zu dokumentieren und zu reflektieren. Im Studium an der Universität Bielefeld erfolgt dies anhand des ›Bielefelder Portfolio Praxisstudien‹.
Ungeachtet dieser Verbindlichkeit gibt es gute Gründe für das Portfolio. Ein paar dieser Gründe sind hier exemplarisch beschrieben:
Zum einen ist es in den gesetzlichen Bestimmungen vorgesehen, dass Sie ein Portfolio führen, zum anderen wird das Portfolio aber nur dann einen Nutzen für Sie haben, wenn Sie es als persönliches und individuelles Lerninstrument nutzen. Dies wird von manchen Studierenden als Widerspruch gesehen.
In Bielefeld haben wir uns ganz bewusst dafür entschieden, die Portfolioarbeit nicht zu kontrollieren und nicht zu bewerten. Aus unserer Sicht kann das Portfolio nur dann ein nützliches Studienelement sein, wenn die Reflexion des eigenen Entwicklungsprozesses – und dazu gehört auch ein offener und ehrlicher Umgang damit, was noch nicht gut klappt – nicht bewertet wird. Mit Hilfe von Informationen, Materialien und Veranstaltungen möchten wir Sie bei Ihrer Portfolioarbeit unterstützen.
Zu unterschiedlichen Zeitpunkten kann Ihr Portfolio jedoch von Akteur*innen der Lehrer*innenbildung aufgegriffen werden. Stellenweise ist dies systematisch vorgesehen, etwa beim schulischen Reflexionsgespräch in der OPSE oder im Bilanz- und Perspektivgespräch des Praxissemesters. Es kann aber auch vorkommen, dass Lehrende das Portfolio in ihre Lehrveranstaltungen einbinden und Sie dort beispielsweise reflexive Schreibübungen für das Portfolio bearbeiten.
Da das Portfolio der Dokumentation und Reflexion der eigenen Professionalisierung dient, schlagen wir für den Aufbau des Portfolios vor, dass Sie es auch so gliedern.
Im Dokumentationsteil können Sie die Nachweise über die Praxisstudien sammeln sowie weitere Bescheinigungen und Zertifikate und z. B. die Praktikumsberichte und die Studienprojekte im Praxissemester ablegen. Der Dokumentationsteil gilt daher als öffentlich, weil es sich hierbei um Unterlagen handelt, die von anderen prinzipiell einsehbar sind.
Der Reflexionsteil ist dagegen privat, hier können z. B. Ihre schriftlichen Reflexionen Eingang finden und persönlich bedeutsame Materialien, die Sie hier sammeln möchten.
Die Bescheinigungen über die Praxisstudien (für den Dokumentationsteil) und die jeweiligen Portfolioeinlagen für die Praxisstudien (für den Reflexionsteil) bilden die gesetzlich vorgeschriebenen Minimalanforderungen an die Portfolioarbeit ab: also die Nachweise, dass Sie die Praxisstudien absolviert haben und die Reflexion dieser Praxiserfahrungen. Darüber hinaus bietet Portfolioarbeit aber sehr viel mehr. Probieren Sie es aus! Materialien und Tipps finden Sie in der nächsten Rubrik.
An der Universität Bielefeld finden wir es wichtig, dass Ihr Portfolio zu Ihnen passt und Sie es so gestalten, wie es für Sie Sinn macht. Das bezieht sich auch auf die Strukturierung und konkrete Ausgestaltung. Sie können Ihr Portfolio ganz klassisch in einem Ordner anlegen oder auch digital (z. B. in einer Cloud wie sciebo, über ein Tablet mit Stiftfunktion oder einem Programm für E-Portfolios wie Mahara).
Portfolioarbeit besteht daraus, dass Sie an und mit Ihrem Portfolio arbeiten. Wenn Sie eine Portfolioeinlage für Ihre Praxisstudie oder eine reflexive Schreibübung bearbeiten, dann arbeiten Sie im Schwerpunkt an Ihrem Portfolio. Wenn Sie Ihr Portfolio als Grundlage für ein Reflexionsgespräch mit Ihrer Mentorin/ Ihrem Mentor an einer Schule nutzen oder wenn Sie sich ältere Portofolioeinlagen ansehen und diese neu kommentieren, dann liegt der Fokus auf der Arbeit mit dem Portfolio. Für beide Bereiche – wobei es sicherlich Schnittmengen gibt – haben wir hier ein paar Beispiele und Anregungen gesammelt:
Für die Arbeit an dem Portfolio
Für die Arbeit mit dem Portfolio
Grundlegende Informationen rund um das Bielefelder Portfolio Praxisstudien finden Sie in der Handreichung für Studierende sowie auf der Website zum Bielefelder Portfolio Praxisstudien. Anmerkung: Die Handreichung wird in naher Zukunft hinsichtlich der Links und Ansprechpersonen überarbeitet.
Zu Beginn Ihres Studiums werden Sie zudem in die Portfolioarbeit eingeführt. In der Erstsemester-Einführungsveranstaltung der BiSEd erhalten Sie erste Informationen zum Portfolio. Darüber hinaus werden Sie insbesondere im Rahmen Ihres bildungswissenschaftlichen Einführungsseminars mit Tutorium in die Portfolioarbeit eingeführt.
In dem Moodle-Kurs ›Portfolioarbeit im Lehramtsstudium‹ finden Sie Informationen rund um das allgemeine Lehramtsportfolio (Bielefelder Portfolio Praxisstudien). Sie können sich darüber informieren, was das Lehramtsportfolio auszeichnet, wie es aufgebaut sein kann oder welche Vorteile das Führen eines Portfolios für Sie hat. Zudem können Sie sich die Portfolioeinlagen für die Praxisstudien herunterladen oder eine von vielen verschiedenen reflexiven Schreibübungen ausprobieren.
Antworten auf Ihre Fragen zum Portfolio können Sie unter anderem im Open Forum, in den FAQs oder im Peer-Austausch erhalten.
Diese Methodensammlung können Sie für Ihre Portfolioarbeit nutzen. Dort sind verschiedenste reflexive Schreibübungen zusammengestellt, die Sie ganz für Ihre Zwecke adaptieren können. Lassen Sie sich inspirieren:
Einmal pro Semester wird ein Workshop angeboten, bei dem Sie im Alltag den Raum und die Zeit für Ihre Portfolioarbeit finden können. Interessiert? Im Sommersemester 2024 findet der Workshop Raum&Zeit für Portfolio am 03. Juli 2024 von 16-18 Uhr in V2-135 statt. Weitere Informationen und Anmeldung im eKVV.
Denner, L. (2010). Förderung reflexiver Kompetenzen im Lehramtsstudium durch Fall- und Portfolioarbeit. karlsruher pädagogische beiträge 73, 118-132.
Häcker, T. (2017). Grundlagen und Implikationen der Forderung nach Förderung von Reflexivität in der Lehrerinnen- und Lehrerbildung. In C. Berndt, T. Häcker & T. Leonhard (Hrsg.), Reflexive Lehrerbildung revisited. Traditionen – Zugänge – Perspektiven (S. 21-45). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Helsper, W. (2001). Praxis und Reflexion. Die Notwendigkeit einer „doppelten Professionalisierung“ des Lehrers. Journal für LehrerInnenbildung, 1(3), 7-15.
Tenorth, H.-E. & Tippelt, R. (Hrsg.) (2007). Beltz Lexikon Pädagogik. Weinheim: Beltz.