Genozid und Organisation: Soziologische Erklärungen des Holocaust
In der Geschichtswissenschaft wird am Beispiel der Polizei-Bataillone heftig diskutiert, wie das Verhalten der Täter während der nationalsozialistischen Massenmorde an der jüdischen Bevölkerung erklärt werden kann. Während unter dem Begriff „ganz normale Männer“ Autoren wie Christopher Browning darauf verwiesen, dass die Täter vielfach ganz normale Personen waren, die erst durch die Rahmenbedingungen zu Tätern wurden, rekurrierte besonders Daniel Goldhagen mit dem Begriff der „ganz normalen Deutschen“ darauf, dass der Massenmord nur durch den bei Deutschen kulturell angelegten „eliminatorischen Antisemitismus“ erklärt werden könne. Die Forschungsfrage ist, wie dieses Täterverhalten organisationssoziologisch erklärt werden kann.
Mitgliedschaftsbasierte Systeme – Zum Verhältnis von Bewegungen, Gruppen, Organisationen und Familien
In Weiterführung eines Vorschlags von Niklas Luhmann wird in diesem Projekt herausgearbeitet, dass sich zwischen dem auf gegenseitiger Wahrnehmung basierenden System „Interaktion“ und dem auf kommunikativer Erreichbarkeit basierenden umfassendsten System „Gesellschaft“ in der Sattelzeit (1750 bis 1850) unterschiedliche Systemtypen ausgebildet haben: Gruppen, Organisationen, Familien und Bewegungen. Während die Gemeinsamkeit zwischen Gruppen, Organisationen, Familien und Bewegungen darin besteht, über Mitgliedschaften Personen zum System zuzurechnen oder eben nicht, besteht der Unterschied zwischen diesen Systemtypen darin, dass die Mitgliedschaften auf sehr unterschiedliche Art und Weise gehandhabt werden. Anders als bei der Ebenendifferenzierung von Interaktion, Organisation und Gesellschaft kann man sich bei Gruppen, Bewegungen, Organisationen und Familien nicht nur eine Verschachtelung ineinander vorstellen, sondern auch weitgehend gleichrangige Kombinationen und Übergänge zwischen den verschiedenen sozialen Systemen.
Die Bestimmung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen Informalität und Organisationskultur bereitet in der Organisationstheorie Schwierigkeiten. Das hängt damit zusammen, dass der Begriff Informalität häufig stillschweigend durch den Begriff der Organisationskultur ersetzt wurde, ohne dass aber für den einen oder den anderen Begriff eine präzise, abgrenzungsscharfe Definition vorgenommen wurde. Unter Rückgriff auf Überlegungen von Dario Rodríguez wird in diesem Projekt argumentiert, dass beide Begriffe das gleiche Phänomen bezeichnen: die nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen einer Organisation. Systematischer als Rodríguez – und im Anschluss an ihn Luhmann – wird jedoch zwischen „unentscheidbaren Entscheidungsprämissen“ und „prinzipiell entscheidbaren, aber nicht entschiedenen Entscheidungsprämissen“ differenziert. Mit dieser Unterscheidung lässt sich Ordnung in die „wilden Merkmallisten“ sowohl der Informalitäts- als auch der Organisationskulturliteratur bringen.
Kooperationen zwischen Regierungsorganisationen, Verwaltungen, Nichtregierungsorganisationen und Unternehmen: Die Umstellung auf Programmfinanzierung in der Entwicklungszusammenarbeit
In der Entwicklungshilfe lässt sich fast wie durch ein Brennglas das Zusammenwirken verschiedener Organisationstypen beobachten: Wie wirken internationale Regierungsorganisationen, Verwaltungen, Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen im Feld der Entwicklungszusammenarbeit zusammen? Diese Frage soll besonders mit dem Fokus auf die Umstellung von der Projektfinanzierung auf die Programmfinanzierung in der Entwicklungszusammenarbeit untersucht werden.
Zwischen Behörden, öffentlichen Unternehmen und privaten Firmen - Privatisierungen von Organisationen in Entwicklungsländern
Es besteht ein weitgehender Konsens unter den großen nationalen und internationalen Entwicklungshilfeorganisationen , dass die Privatisierung von bisher staatlich erbrachten Leistungen eine zentrale Möglichkeit ist, um „Organisationsschwächen“ in Entwicklungsländern zu überwinden. Dabei hat man es jedoch eher selten mit dem schlichten „Verkauf“ einer ehemaligen Behörde an ein privates Unternehmen zu tun. Vielmehr existiert eine große Vielzahl von Organisationsmodellen, die unter dem Begriff der Privatisierung gefasst werden. Die Forschungsfrage lautet: Was verändert sich in der Funktionsweise von Organisationen durch die Privatisierung? Welche Veränderungen gibt es in den Kommunikations- und Entscheidungswegen, in den Programmen und im Personal der Organisation?
Paradoxe temporärer Organisationen
Sowohl Arbeits- als auch Interessensorganisationen sind in der Regel auf Dauer gestellt. Die Forschungsfrage in diesem Projekt ist: Wie gehen zeitlich befristete Organisationen mit dem Wissen über ihr vorhersehbares Ende um? In Vorstudien wurden bisher verschiedene temporäre Organisationen untersucht. In einem nächsten Schritt sollen temporäre Organisationen wie Olympia-Bewerbungskomitees, Stadtentwicklungs-gesellschaften oder Sozialfonds in Entwicklungsländern näher analysiert werden. Von diesen organisatorischen Sonderfällen sollen Rückschlüsse auf die Funktionsweise von projektbasierten Organisationen und von Projekten in Organisationen gezogen werden.
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